Inselsommer
ich noch von meiner Idee mit den Inselkrabben berichtet und die E-Mail abgeschickt hatte, wurden meine Augen auf einmal feucht, und ich spürte einen dicken Kloß im Hals. Es war merkwürdig: Patrick und ich hatten so viele Jahre eng zusammengelebt, und plötzlich kommunizierten wir nur noch online! Hinter der vermeintlichen Leichtigkeit meiner Zeilen verbargen sich eine große Anspannung und Schmerz, doch das behielt ich lieber für mich. Denn ich hatte schließlich unsere Ehe beendet und kein Recht, Patrick mit meinen wahren Gefühlen zu behelligen.
Er und ich – von nun an führten wir zwei getrennte Leben.
Wie gern hätte ich sein Gesicht gesehen, wenn er las, dass ich mich in Zukunft für Kinder engagieren wollte.
Wie gern hätte ich
ihn
wiederum beobachtet, wie er sich liebevoll um seinen Sohn kümmerte und ihm das Frühstück machte und zusammen mit ihm und Tonte spazieren ging.
Doch diese Gedanken waren Energieverschwendung, und ich tat gut daran, mich endlich daran zu gewöhnen, dass ich an Patricks Leben keinen Anteil mehr hatte.
Während ich auf den Monitor starrte und überlegte, wie lange ich wohl auf eine Antwort von Patrick warten musste, klingelte mein Handy. Es war Larissa. Sie klang aufgeregt und fragte, ob ich Zeit hätte, bei ihr vorbeizukommen.
Verwundert sah ich auf die Uhr, es war beinahe halb neun abends. Demnach musste es wichtig sein, und ich antwortete: »Aber klar doch, bin schon unterwegs.«
Mit einem etwas mulmigen Gefühl verließ ich den Pavillon und schaute noch kurz im Kapitänshaus vorbei. Doch dort war es still, keine Ahnung, wo Bea war. Vielleicht schmiedete sie ja bei einem guten Essen Umbaupläne mit Adalbert.
Ich wollte gerade bei Larissa klingeln, als sie bereits die Tür aufriss. Maunzend strich Neles Katze Blairwitch ihr um die Beine.
»Super, dass du Zeit hast«, sagte sie erfreut und führte mich ins Wohnzimmer. Blairwitch folgte uns und kuschelte sich in ihr Katzenkörbchen. Heute Abend war es zu kühl, um draußen zu sitzen – der Inselsommer präsentierte sich als verfrühter Inselherbst.
»Also, was gibt’s?«, wollte ich wissen, da ich Larissas Gesichtsausdruck nicht deuten konnte.
»Am besten komm ich gleich auf den Punkt. Ich habe mich entschieden, zu Leon nach Mallorca zu ziehen. Und du sollst nach Bea die Erste sein, die es erfährt.«
»Glückwunsch, das sind ja wunderbare Neuigkeiten«, freute ich mich, dachte jedoch zugleich an Bea. Hatte sie sich deshalb heute Abend verzogen? Larissa umfasste ihre Beine und wippte auf dem gemütlichen Lesesessel hin und her.
»Und wann soll es losgehen?«
»Ich würde gern zur Mandelblüte da sein, also etwa Mitte bis Ende Januar. Dann haben Bea und Rieke genug Zeit, um eine Nachfolgerin für mich zu finden und den Laden so umzubauen, dass du mit deinen Inselkrabben genug Platz hast. Außerdem wäre ich beim Weihnachtsgeschäft und bei der Inventur dabei und könnte beim Umbau des Kapitänshauses und bei Adalberts Einzug helfen.«
Ich brauchte einen Augenblick, um diese neuen Informationen zu verdauen. Womöglich hatte Bea überhaupt keine Lust, die Hauptverantwortung für das Büchernest zu übernehmen, und würde es verkaufen und ihren wohlverdienten Ruhestand antreten.
Larissa betrachtete mich mit ernster Miene.
»Bea hat meine Entscheidung gut aufgenommen und überlegt sich in den nächsten Tagen, wie es mit dem Laden weitergehen soll. Ihr ist selbstverständlich klar, dass an der Existenz des Büchernests so einiges hängt: Vero will wieder arbeiten, Ollis Vertrag soll verlängert werden, Rieke ist noch nicht mit ihrer Ausbildung fertig. Und nicht zuletzt brauchst du ja geeignete Räumlichkeiten für dein Kinderprojekt.«
»Und wer soll deinen Platz einnehmen?«
Larissa senkte den Kopf.
»Momentan habe ich keine Ahnung. Aber ich vertraue darauf, dass sich alles fügen wird. Bitte versteh mich. Ich vermisse meinen Mann, und ich habe die Hoffnung, eines Tages mit ihm eine Familie gründen zu können, noch nicht aufgegeben.
Bea hat immer gesagt, dass ihr mein Glück und meine persönliche Zukunft weitaus mehr am Herzen liegen als das Buchcafé. Oje, weinst du?«
Verschämt wischte ich mir die Tränen von den Wangen. Larissa sprang auf, setzte sich neben mich auf die Couch und umarmte mich. »Hey, sei nicht traurig. Ich habe doch gesagt, dass Bea und ich alles daran setzen werden, eine gute Lösung für alle Beteiligten zu finden.«
»Ich weine ja gar nicht deshalb …«, protestierte ich und putzte
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