Inselsommer
Aussichten seines Sohns. Natürlich versetzte mir seine E-Mail einen Stich, aber ich musste lernen, mit diesem Gefühl fertigzuwerden.
Ich wollte gerade zurückschreiben und von meinen Empfindungen berichten, als mich eine innere Stimme davon abhielt. Worauf sollte das Ganze eigentlich hinauslaufen? Was versprach ich mir davon? Ich wollte doch Abstand zu Patrick gewinnen und nicht via E-Mail permanent an seinem neuen Leben teilhaben.
Zum Glück klingelte in diesem Moment mein Telefon, es war Ineke.
»Frau Alwart, nett, dass Sie anrufen«, sagte ich, während mir das Herz bis zum Hals schlug.
»Schön, dass ich Sie sofort erreiche«, antwortete Ineke gut gelaunt. »Ich wollte Ihnen nur Bescheid geben, dass ich Ihrem Vorschlag zustimme. Jetzt müssen Sie nur noch einen geeigneten Ort für meine Bilder finden.«
Nachdem ich aufgelegt hatte, tanzte ich vor Freude durch den Pavillon. Der wichtigste Schritt war getan, Ineke Alwart stellte ihre Bilder aus und erzielte damit garantiert hohe Umsätze, dies sagte mir meine Erfahrung als Galeristin.
Die kommenden Tage würde ich mich nach einer passenden Örtlichkeit umsehen, doch auch hier vertraute ich dem Schicksal. Ich weigerte mich einfach, mir vorzustellen, dass die geplante Vernissage an einer Bagatelle wie einem fehlenden Raum scheitern sollte.
Mist!
Warum hatte ich jetzt niemanden, mit dem ich feiern konnte? Bea war noch bei Adalbert, Larissa war für zwei Tage zu einer Freundin nach Föhr gefahren, und Vero konnte ich um diese Zeit auch nicht mehr besuchen. Da fiel mir Olli ein. »Hey, hast du Lust, spontan einen mit mir draufzumachen?«, fragte ich ihn am Telefon und erntete sogleich ein begeistertes »Hurra!«.
Wir beschlossen, uns im Westerländer Künstlercafé in einer Seitenstraße der Einkaufszone zu treffen. In meiner Aufregung war ich eine Viertelstunde vor Olli da und blätterte in den herumliegenden Tageszeitungen. Dabei erregte ein Foto meine Aufmerksamkeit. Es zeigte den Finanzmogul Kay Fedder mit seiner Frau Anka, ihres Zeichens Immobilienmaklerin. Beide standen breit grinsend vor dem Grundstück gegenüber von Adalberts Haus. Ankas Haare waren zu blond, ihre Gesichtsfarbe zu braun und ihre Zähne zu weiß. Leider entsprach auch ihr Mann jedem gängigen Klischee. Die Bildunterschrift lautete
Damit auch an diesem Ort der Stille Wohnträume wahr werden.
Offenbar waren diese beiden unsympathisch aussehenden Menschen für den geplanten Hotelbau verantwortlich. Vor Wut krampfte sich mein Magen zusammen. Hoffentlich bekam die Initiative Zukunft Sylt genug Unterschriften für ihre Petition zusammen, so dass die Gemeinde sich eines Besseren besann und das Grundstück weiterhin unbebaut ließ.
»Was machst du denn für ein Gesicht? Ich dachte, wir wollten feiern«, fragte Olli, der selbst ein wenig blass aussah. Der Betrug von Fabian steckte ihm immer noch in den Knochen. Wortlos schob ich den
Sylter Tagesspiegel
über den Tisch.
»Widerliches, geldgieriges Pack«, ätzte Olli und verzog angeekelt das Gesicht. »Leute wie die sind für die Misere auf Sylt verantwortlich und sehen ungerührt zu, wie immer mehr Einwohner wegziehen, weil sie sich das Leben hier nicht mehr leisten können. Die Struktur der Insel wird nach und nach zerstört. Aber denen ist das alles egal! Sie stopfen sich mit Hummer und Austern bei Gosch voll und saufen den ganzen Tag Champagner, um sich und ihre Geschäftstüchtigkeit zu feiern.« Oha! So wütend hatte ich Olli selten erlebt. Er war nicht mehr zu stoppen: »Was glaubst du, was ich mir auf dem Campingplatz schon alles für Geschichten anhören musste? Zum Teil wirklich tragische. Wenn ich so jemanden in die Finger kriege, dann …« Einen Augenblick lang war ich mir nicht sicher, ob diese Schimpftirade wirklich noch den beiden aus der Zeitung galt oder nicht eher Fabian.
Wie auch immer. Wir brauchten schleunigst einen Stimmungsaufheller, denn eigentlich wollten wir ja darauf anstoßen, dass es mir gelungen war, Ineke Alwart zu überzeugen.
»Also, Olli, was möchtest du essen? Du bist zur Feier des Tages eingeladen und kannst dich, wenn du magst, die gesamte Karte rauf- und runterarbeiten.«
»Na, wenn das so ist«, grinste Olli. »Dann bestelle ich mir das kalorienreichste Gericht auf der Karte und zwei Desserts obendrauf. Schließlich habe ich in den letzten Tagen genug gehungert!«
58 . Kapitel
W ie viele Unterschriften braucht ihr eigentlich, um gegen den Bau des Hotels vorzugehen?«, wollte ich am nächsten Tag
Weitere Kostenlose Bücher