Inselsommer
mir die Nase.
Larissa hielt mich immer noch umschlungen, was unendlich guttat.
»Ist es wegen Patrick? Ihr schreibt euch doch E-Mails, nicht wahr?« Statt einer Antwort brachte ich nur ein Nicken zustande. »Es ist bestimmt nicht leicht, akzeptieren zu müssen, dass er nun mit dem Sohn einer anderen Frau zusammen in eurer Wohnung lebt. Das muss verdammt weh tun.« Ich versuchte, mich zu beruhigen. Wie gut, dass ich jetzt nicht allein war. Doch wenn ich mich weiter hängenließ, war niemand damit geholfen. Deshalb stand ich auf und putzte mir die Nase:
»So, Schluss jetzt. Ich bin ja nicht hier, um dir was vorzuheulen, sondern weil du so fantastische Neuigkeiten hast. Soll ich uns einen Tee kochen?«
»Nein, lass mal, das mache ich schon«, wehrte Larissa ab und stand ebenfalls auf. »Du bist doch mein Gast.«
Als ich gegen Mitternacht wieder im Pavillon war, lag das Kapitänshaus im Dunklen. War Bea immer noch unterwegs, oder hatte sie sich ausnahmsweise früh ins Bett gelegt? Unschlüssig und ein wenig aufgedreht von dem Besuch bei Larissa umkreiste ich meinen Computer. Meine Hand berührte den Einschaltknopf, doch ich ließ es bleiben. Ich benahm mich wie ein Teenie-Girl, das sehnsuchtsvoll auf eine Nachricht ihres Liebsten wartete.
Um mich abzulenken, kochte ich mir einen Melissentee und kuschelte mich mit Marco Nardis Roman ins Bett. Doch die Zeilen tanzten vor meinen Augen, und nach zehn Seiten hatte ich nicht die geringste Ahnung, was ich gerade gelesen hatte.
Ist doch nicht schlimm, wenn ich noch mal aufstehe und nachschaue,
dachte ich und fuhr den Computer hoch. Mittlerweile war es ein Uhr morgens, und die Nachtschwärmer ließen die Drähte des Internets glühen und versuchten, die nächtliche Einsamkeit im Chatroom zu vertreiben.
Mein Herz pochte: Patrick hatte mir tatsächlich geantwortet! Und ich fiel beinahe in Ohnmacht, als ich las,
was
er geschrieben hatte:
Liebe Paula,
ich wünsche alles Gute für deinen Umzug ins Haus deiner Träume. Vielleicht sollten wir uns mal zusammensetzen und besprechen, ob es nicht besser wäre, wenn wir uns scheiden lassen. Benjamin und ich fahren einige Tage zum Surfen. Mach’s gut,
Patrick
SCHEIDUNG
?!
Ich war so durcheinander, dass ich Patricks Mail ungefähr zehnmal las. Doch das Wort, das mir das Herz zu zerreißen drohte, stand immer noch da.
Was war nur passiert?
Unruhig wälzte ich mich im Bett hin und her. Je weiter der Uhrzeiger vorrückte, desto wütender wurde ich. Auf Patrick, auf mich, auf die ganze Welt. Was hatte ich mir nur dabei gedacht? Wie kam ich nur auf die Idee, dass Patrick und ich uns romantische E-Mails schreiben würden? Immerhin hatte ich meinen Mann sehr verletzt. Und er lebte nun mit seinem Sohn zusammen und freute sich, Zeit mit ihm zu verbringen und endlich einmal den Familienurlaub zu machen, von dem wir beide jahrelang geträumt hatten.
Doch diese Simona schien eine weitaus größere Rolle zu spielen, als Patrick versucht hatte, mir weiszumachen. Vermutlich bestand sie darauf, dass er einen Schlussstrich unter sein altes Leben mit mir zog.
Wahrscheinlich hatte er mich angelogen, und die beiden waren wieder ein Paar – und noch schlimmer: eine richtige Familie!
60 . Kapitel
O bwohl ich in der letzten Nacht kein Auge zugetan hatte und mich zerschlagen fühlte, blieb mir an diesem Tag nichts anderes übrig, als weiter an den Vorbereitungen für die Ausstellung zu arbeiten.
Ich würde am späten Nachmittag zusammen mit Ineke Alwart Veros Scheune besichtigen, damit die Künstlerin ihre Zustimmung geben konnte.
Hinrich hatte nach einigem Hin und Her zugesagt, die Scheune als Ausstellungsort zur Verfügung zu stellen. Anfangs hatte er sich gesträubt, weil in seinen Augen solch eine Ausstellung zu viel Unruhe mit sich bringen würde, doch zu guter Letzt hatte Vero ihn doch überzeugen können. Denn Hinrich war Sylter durch und durch, und Ineke Alwart wurde auf der Insel als Künstlerin hochgeschätzt. Und Tradition sollte schließlich hochgehalten werden!
Bevor ich nach Morsum fuhr, musste ich noch etwas mit Olli klären, mit dem ich heute Küchendienst hatte. Ich war froh über die Ablenkung, um die Geister der vergangenen Nacht ein wenig im Zaum zu halten.
»Was ist los?«, fragte Olli, und ich hatte das Gefühl, dass seine Sommersprossen heute noch mehr leuchteten als sonst. »Hast du im Lotto gewonnen?«
»Ich wünschte, es wäre so«, seufzte ich und verscheuchte den Gedanken, was passieren würde, wenn Inekes Bilder
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