Inselsommer
viel zu kurz. Aber jetzt, wo Paula bald ein Haus für sich hat, werde ich bestimmt zum Dauergast.«
»Ein Haus für dich allein?«, wunderte Sönke sich. »Wie hast du denn das geschafft?« Ich erzählte kurz von dem
Häuschen-wechsle-dich-Spiel.
»Herzlichen Glückwunsch«, erwiderte Sönke. »Das sollten wir feiern. Was haltet ihr beiden, pardon Sie beide, von einer erfrischenden Zitronenlimonade an Bord meiner Meeresliebe? Könnte sogar sein, dass ich irgendwo noch ein paar Friesenkekse finde.«
»Wir können uns gern duzen«, bot Helen an und war so schnell an Bord geklettert, als hätte sie nie einen Kater gehabt. Ich dagegen hangelte mich eher mühsam an der Strickleiter nach oben. Das graublaue Meer lag spiegelglatt da und glitzerte in der Sonne.
Beim Anblick des Wassers und der Surfboards musste ich dummerweise wieder an Patrick und Benjamin denken. Den beiden würde es hier bestimmt gefallen. Ich könnte sie überall herumführen und ihnen die wunderschöne Insel zeigen.
Doch dazu würde es nicht mehr kommen. Traurig wandte ich mich ab und gesellte mich zu Helen und Sönke.
»Hach, war das toll.« Helen strahlte, als wir uns nach einem zweistündigen Bootsaufenthalt wieder auf den Heimweg machten. »Wir hatten wirklich Glück, dass wir Sönke getroffen haben. Mit einem Boot ist man so unabhängig. Ich überlege gerade ernsthaft, mir selbst eins zu kaufen, man kann ja auch auf der Alster segeln. Im Übrigen scheint Sönke ein echt netter Typ zu sein.«
»Dann angle ihn dir doch«, entgegnete ich, ohne weiter über meine Worte nachzudenken.
»Was soll ich denn mit einem Mann auf Sylt, das gibt doch nur Stress«, sagte Helen. »Außerdem frage ich mich, ob du dir wirklich sicher bist, dass du kein Interesse an ihm hast, gerade jetzt, wo das mit Patrick und dir …?«
»Ich bin mir wirklich
vollkommen
sicher. Und eigentlich würdet ihr beide ganz gut zusammenpassen. Ihr liebt beide eure Freiheit über alles, seid sportlich. Ihr würdet euch aufgrund der räumlichen Distanz nicht auf die Nerven gehen. Und du kannst mich jederzeit im Watthaus besuchen.«
»Nun aber mal langsam«, widersprach Helen. »Ich weiß, dass du Doro in Sachen Romantik in nichts nachstehst, aber es ist wohl kaum realistisch, dass ich nur einen Fuß auf diese Insel zu setzen brauche und schwupps finde ich wie Doro den Partner fürs Leben. Im Übrigen suche ich auch nach niemandem. Also vergiss es ganz schnell wieder. Reden wir lieber über dich und Patrick. Ich spüre doch, wie sehr dir das alles auf der Seele liegt.«
»Meinst du, ich kann ihn anrufen und fragen, wieso ihm das mit der Scheidung auf einmal so wichtig ist?« Plötzlich hatte ich das Gefühl, dass ich sofort mit Patrick sprechen musste. Vielleicht war ja alles nur ein großes Missverständnis …
»Sagen wir mal so, grundsätzlich kannst du ihn natürlich anrufen, er ist immer noch dein Mann. Aber heute ist Sonntag, und er ist bestimmt mit seinem Sohn am Wasser, warte lieber bis Montag.« Schweren Herzens beschloss ich, Helens Rat zu befolgen. Immerhin waren es nur noch wenige Stunden bis zu ihrer Heimreise.
Was war überhaupt los mit mir?
Hatte ich mich plötzlich wieder in meinen Mann verliebt, oder verletzte mich es nur, dass ich so abserviert wurde?
Nach einem kurzen Abstecher zu Adalbert brachte ich Helen abends zum Bahnhof. Ich umarmte sie und vergoss ein paar Tränen. Sie würde mir so fehlen! Gerade jetzt brauchte ich dringend jemanden zum Reden. Ich fürchtete mich vor der Einsamkeit, wenn mich wieder die Sehnsucht nach Patrick überkam und ich das Gefühl hatte, man zog mir den Boden unter den Füßen weg.
»Hey, ich bin ja bald wieder da«, tröstete Helen mich. »Versuch dich abzulenken. Sylt hat so viel Schönes zu bieten. Wir sehen uns spätestens zur Vernissage von Ineke Alwart. Und ruf an, wenn du traurig bist. Doro und ich sind immer für dich da.«
Betrübt winkte ich ihr nach. Dann wählte ich – wider aller Vernunft – Patricks Nummer. Es dauerte einen Moment, bis ich Empfang hatte. Doch dann bereute ich meinen Anruf auch schon. Die Stimme, die sich meldete, gehörte Simona. Sie meldete sich ganz selbstverständlich mit ihrem Namen.
Wie in Trance drückte ich den Aus-Knopf und ließ das Handy sinken. Ich hatte eine Antwort gewollt – hier war sie.
Und mehr als deutlich!
Das vermeintliche Missverständnis, auf dessen Auflösung ich gehofft hatte, existierte nur in meinem Kopf.
63 . Kapitel
D ie Woche nach Helens Abreise verging wie
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