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Inselsommer

Inselsommer

Titel: Inselsommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriella Engelmann
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Wir waren barfuß, und immer wieder umspülte das Meerwasser unsere Knöchel. Plötzlich wurde die Idylle durch Motorenlärm gestört. Ein Flugzeug zog seine Kreise.
    »Das könnte die Maschine von Sönke sein«, mutmaßte ich, während Helen ihre Augen mit der Hand gegen das Sonnenlicht abschirmte und ebenfalls interessiert in den Himmel schaute. »Sönke? Dieser Pilot, mit dem du mal essen warst? Den hatte ich total vergessen. Was ist denn mit dem?«
    »Du hast ihn vergessen, weil es nichts zu berichten gibt«, erklärte ich und beobachtete, wie sich die Kondensstreifen mit dem blauen Himmel vermischten. »Wir hatten einen wirklich schönen Abend im Samoa Seepferdchen, er war neulich bei einer Lesung im Büchernest, aber das war’s dann auch.« Während Helen nach oben blickte, begann sie auf einmal eine Melodie zu summen, die ich seit langem nicht mehr gehört hatte:
Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein …
    »Meinst du, es gibt heutzutage noch Leute, die Reinhard Mey kennen?« Es klang so, als richtete sie die Frage eher an sich selbst.
    »Die Generation Vierzig plus bestimmt. Und die Sylter auch. Denn soweit ich weiß, lebt der Sänger hier auf der Insel.«
    »Irre, dass wir schon so alt sind, dass wir
Father and son
noch in der Originalversion von Cat Stevens kennen und nun miterleben dürfen, wie Nena ihr dreißigjähriges Bühnenjubiläum feiert. Irgendwie fühlt man sich da schon ganz schön alt, findest du nicht?« Ich dachte an mein gestriges Gespräch mit Bea.
    Gelegentlich konnte ich ihre Haltung zum Leben besser verstehen als Helens Sichtweise.
    »Natürlich würde ich lügen, wenn ich das Gegenteil behaupte. Manchmal wäre ich schon noch gern so knackig wie mit zwanzig. Aber wäre es nicht super, wenn man die körperliche Fitness mit Lebenserfahrung kombinieren könnte?«
    Helen lachte und gab mir einen kleinen Schubs.
    »Du warst mit zwanzig knackig? Hey, das wusste ich ja noch gar nicht.«
    Ich antwortete:
    »Blöde Kuh«, und bespritzte sie mit Wasser. Binnen Sekunden lieferten wir uns eine Wasserschlacht wie früher im Schwimmbad. Irgendwann waren wir von oben bis unten nass, aber überglücklich.
    »Lass uns schnell umdrehen und zum Grand Plage laufen. Da gibt’s einen Handtrockner«, schlug ich vor, dann rannten wir um die Wette und kamen außer Atem beim Strandcafé an.
    Selbst die sportliche Helen hatte arg zu kämpfen.
    Nachdem wir uns in der Toilette notdürftig die Haare und die Kleidung getrocknet hatten, nahmen wir an einem Tisch Platz.
    »Über den Sand zu joggen ist etwas komplett anderes, als durch den Park zu laufen«, versuchte Helen sich zu verteidigen.
    »Alles nur Ausreden«, frotzelte ich und bestellte eine Apfelschorle. »Übrigens haben Doro und Mats sich hier kennengelernt.«
    »Wie es ihr wohl gerade geht?«, entgegnete Helen nachdenklich. »Ob die Kinder mittlerweile Bescheid wissen?«
    Das fragte ich mich auch. Seit dem Telefonat kurz vor ihrer Abreise an die Schlei hatte ich nichts mehr von Doro gehört.
    Helen und ich plauderten noch eine Weile und genossen den Anblick des Meeres. Doch dann wurde es Zeit, zurück nach Keitum zu fahren. Schließlich wollte ich meiner Freundin noch das Büchernest und Adalberts Haus zeigen.
    Und um zwanzig Uhr waren wir mit Olli und Larissa verabredet.
    Mir war wichtig, dass auch Helen verstand, warum ich hier leben wollte und die Menschen kennenlernte, die mir so sehr ans Herz gewachsen waren.
    »Gemütlich hast du’s hier«, sagte sie, als sie ihren Koffer auspackte und die Sachen neben meine in den Schrank im Pavillon hängte. »Wie in einem kleinen Märchenschloss. Wird dir das Kuschelige denn gar nicht fehlen, wenn du in das große Haus am Watt ziehst? Außerdem wohnst du doch gerne neben Bea.« Ich dachte einen Moment nach. Natürlich war da was dran. Wenn es nach mir gegangen wäre, hätte ich das Kapitänshaus mitsamt Pavillon ans Watt verpflanzt und Veros Hof daneben angesiedelt.
    »Stimmt schon irgendwie. Aber ich freue mich auf das Zusammenleben mit Olli. Du wirst sehen, er ist ein echt netter, verrückter Kerl, mit dem man jede Menge Spaß hat. Bea, Vero und die anderen sind ja auch nicht aus der Welt. Bis auf Larissa. Aber die kann ich jederzeit auf Mallorca besuchen. Und wie ich sie kenne, wird sie sowieso alle naselang in Deutschland sein, weil Sylt ihr fehlt.«
    Helen setzte sich auf die Couch und blickte sich um. Dabei fiel ihr Blick auf die Staffelei, auf der ein unfertiges Bild von Paula stand.

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