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Inselwaechter

Inselwaechter

Titel: Inselwaechter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob M. Soedher
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als der die Hunde losgelassen hat, der Säckel, der elende.«
    »Ja, und weshalb haben die Kollegen in Ravensburg die Lena dann überhaupt festgenommen und nicht den Typen?«
    »War ja keine Festnahme, eher so eine Art Schutzgewahrsam.« Schielin musste lachen. »Sie hat ihnen immer nur gesagt: Mein Papa ist bei der Polizei, ich werde mich zur Sache nicht äußern. Und als die dann gefragt haben, wie sie denn heißt, hat sie nur den Kopf geschüttelt. Da haben sie sie halt dabehalten. Was hätten sie denn machen sollen. Nach einer Nacht in der Zelle ist ihr endlich wieder eingefallen, wie ihr Name lautet. Ich bin dann rübergefahren und hab sie geholt.«
    »Und ausgerechnet das Polizistentöchterlein war die Einzige von der ökonomischen Landjugend, die sie erwischt haben?«
    Schielin winkte ab. »Pfarrers Kinder, Müllers Vieh, gedeihen selten oder nie.«
    Lydia feixte.
    Sie waren am Europaplatz angekommen. Um die Grasinsel des Kreisverkehrs waren kolossale Plakatbahnen gespannt, von denen die Konterfeis der Nobelpreisträger blickten, die man dieses Jahr in der Stadt erwartete.
    Erich Gommert rief an und teilte mit, die Handynummer von Agnes Mahler ermittelt zu haben. Es war offensichtlich ausgeschalten – Teilnehmer nicht erreichbar, lautete die Ansage. Lydia stöhnte resigniert.
    Vor den Schranken in der Bregenzer Straße und am Langenweg hatten sich in beide Richtungen lange Schlangen gebildet. Auf der Seebrücke kam der Verkehr in Richtung Insel, ganz ohne Zutun von Schranken, vollkommen zum Erliegen. Seitlich der Blechkarawane drängten sich Radfahrer und Fußgänger über die Brücke – in Richtung Hafen, Bahnhof, Maximilianstraße oder zum samstäglichen Markt. Zwei Kajakfahrer kamen von der Spielbank her, unterfuhren die Seebrücke und steuerten in Richtung Bahndamm. Einer von ihnen hatte ein Kajak im Schlepptau. Einige Fußgänger blieben stehen und folgten dem gleichmäßigen Takt der Paddelschläge; wunderten sich über das leere Kajak.
    *
    Erich Gommert war umgehend auf die Dienststelle gekommen, als man ihn verständigt hatte. Seine erste Arbeit war Kaffee kochen, dann stellte er Hundle, den er dabeihatte, Futter und Wasser hin. Zuallerletzt versendete er die Mails und Schreiben, wie es ihm von Kimmel aufgetragen worden war. Der war schon wieder vom Segelhafen zurück, saß in seinem Büro und telefonierte laut mit Bestattungsunternehmen, einer Dienststelle in München, der Rechtsmedizin und dem Präsidium in Kempten. Dort brauchte er einige Zeit, bis er jemanden erreichte – Samstag.
    Wenzel werkelte drunten im Kellerlabor an Klassifizierung und Ordnungssystem der Spuren. Robert Funk und Jasmin Gangbacher hatte man bisher nicht erreichen können.
    Alle Anwesenden warteten auf die Ankunft von Schielin und Lydia und den erlösenden Kaffee, dessen betörender Duft alle Anstrengungen unterminierte.
    *
    Helmut Grohm hatte lauter als gewollt an die Tür des Hotelzimmers geklopft. Selbst erschrocken vom pochenden Geräuschen seines Drängens, sah er sich im Gang um. Hinter ihm stand aufgeregt Claire Wilms. Er drückte seine Wangen an die Türe und rief unterdrückt: »Melanie! Mach auf!«
    Es dauerte eine Weile, dann öffnete sich die Türe. Schnell trat er ein. Melanie Schirr saß schon wieder auf dem Bett. Ihr Kopf war gesenkt, die Hände griffen wie von Krämpfen getrieben in die bleichen, strohigen Haare. Claire Wilms war nachgekommen und schloss die Tür leise.
    Grohm sah sich im Zimmer um. Die Schranktüren standen offen. Zwei Koffer, einer auf dem Bett, der andere auf dem Boden, waren halb gefüllt. Kleidung und Wäsche waren wild, ganz ohne Ordnung hineingeworfen worden. Etwas musste das hektische Packen gestört haben.
    »Bist du verrückt geworden! Was soll das!« Er spürte, wie seine Stimme bebte. Als das Wimmern, das von Melanie Schirr zu hören war, lauter wurde, ging er zum Fenster und schloss es. Niemand sollte etwas hören.
    »Ich fahre. Ich fahre heute noch weg«, heulte Melanie Schirr, »heute noch!«, setzte sie hysterisch nach.
    Dr. Helmut Grohm baute sich vor ihr auf. »Einen Teufel wirst du tun. Du bleibst! Bist du völlig verrückt geworden. Du rennst in dein Verderben, wenn du jetzt abreist.«
    »Agnes ist tot«, kam es von Melanie Schirr, die sich nun Claire Wilms zuwandte, und den Satz wiederholte, als hätte ihn Helmut Grohm nicht wahrhaben oder verstehen wollen. »Agnes ist tot.« Claire Wilms nickte. Sie war bleich und voller Unruhe. Sie wusste nicht, was sie tun sollte, und

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