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Inselwaechter

Inselwaechter

Titel: Inselwaechter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob M. Soedher
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in seinem Sessel. »Schön, sehr schön. Was hören Sie denn?«
    »Ich habe mehr einen Hang zum Symphonischen …«
    Zychner unterbrach ihn. »Das ist es doch gerade – Motiv, Konzept, Gliederung in Sätze, Modulation …«
    Wenzel fuhr fort. »Ja, genau. Von daher natürlich Pink Floyd, deren psychedelische Epen einen, sobald die ersten überraschenden Momente überwunden sind, zutiefst berühren können. Dann natürlich die alten Zappa-Scheiben, Pavlos Dog, Dire Straits, und letzte Woche erst wieder Made in Japan. Deep Purple – herrlich. Es geht mir genau wie Ihnen. Wenn ich diese Musik höre, gleicht das auch einer rückwärtsgewandten Zeitreise.«
    »Mhm.«
    Wenzel sog laut und lange Luft ein und atmete anschließend laut aus, dass man hätte meinen können, er sei eine große Last damit losgeworden; so als würde das bisher Gesprochene damit aus der Welt sein. Die Frage klang frei, unbelastet und fordernd: »Was war nun heute Morgen?«
    Zychner antwortete sofort und fließend. Wie ein artiger Schüler. »Es war noch dunkel. Ein Mann mit einer Tasche in der rechten Hand kam vom Römerbad her, blieb kurz vor den Mülltonnen stehen und ging dann zum Clubhaus. Für eine Weile war er verschwunden. Dann schlich er, in einen Umhang gehüllt, entlang der Mauern des kleinen Gebäudes. Einmal nach links herum, dann rechts herum. Schließlich hopste er ganz nach vorne, schaute affig auffällig hinüber nach Bregenz, wo es nichts zu sehen gab – kein Boot, gar nichts. Kurz vor Sonnenaufgang ist er zwischen Römerbad und Segelschule verschwunden. Ich habe schon damit gerechnet, dass Sie mich danach fragen würden. Es war zu offensichtlich, dieser Zinnober, und im Grunde genommen sollte ich ein wenig beleidigt sein, dass Sie sich trauen, auf so expressive Weise meinen Sinnes- und Geisteszustand zu überprüfen. Sie waren das doch!«
    Wenzel war überhaupt nicht mehr überrascht. »Das stimmt. Aber Sie sind doch erst in das Türmchen gegangen, als ich schon hinter dem Clubhaus war. Wie konnten Sie sehen, von wo ich gekommen bin?«
    »Ich stand auf dem Umlauf, im Freien. Die Luft war so erfreulich belebend. Erst als der Wind auffrischte, bin ich hinter die Glasscheiben getreten. Der Wind – das ist der ärgste Feind des Alters, glauben Sie mir. Ich spüre ihn schon, wenn er noch drüben im Rheintal ist, oder bei Immenstaad.«
    »Wir waren gestern bei dem Boot stehen geblieben. Sie sollten inzwischen, was Ihre Erschöpfung und Müdigkeit angeht, ausreichend erholt sein. Sie berichteten von dem Motorboot, von der männlichen Gestalt und davon, dass das Boot auf halber Länge der Mole, an der Metallleiter angelegt hatte. Was war noch zu beobachten? Sie haben einen freien Blick von da oben. Ich will mir das übrigens später einmal selbst ansehen.«
    Zychner schwieg. Die knochigen Finger seiner rechten Hand fuhren immer wieder über den linken Unterarm. »Ich bin kurz nach vier Uhr am Morgen nach oben gegangen und war zu den Sechsuhrnachrichten im Radio wieder hier. Vielleicht zehn Minuten davor. Genauer geht es nicht. Aber nun zu diesem Motorboot. Das hat mich schon interessiert und ich habe da eine ganze Weile hinuntergesehen. Es war aber so, dass ich nichts erkannt habe, in der Dunkelheit. Der Himmel, ja der Himmel war schon tiefblau, aber über dem Wasser, da ist dann noch Schwärze. Man sieht Umrisse, Schatten, Schemenhaftes. Ich wollte mich den Bergen zuwenden, weil ich es immer wieder aufs Neue faszinierend finde zu beobachten, wie sich dieser schmale, feine, dann zunehmend gleißend vom Rötlichen ins Helle wandernde Schein bildet. Da erkennt man mit bloßem Auge auf Kilometer die Umrisse von Bäumen, so scharf, wie man sie nicht sehen kann, stünde man nur wenige Meter vor ihnen. Es ist doch eine interessante Wahrnehmung, nicht? Dass man manche Dinge unter gewissen Bedingungen viel deutlicher erkennen kann, wenn der Abstand zu ihnen größer ist. Landläufige Meinung ist ja, die Dinge besser zu sehen, je näher man ihnen ist.«
    Wenzel vermied es auf diese These einzugehen. »Das Boot«, kam es nüchtern und sanft drängend.
    »Ja, das Boot. Ich wollte schon den Blick zu den Bergen wenden, wenn da nicht der Schatten gewesen wäre.«
    »Welcher Schatten denn nun auf einmal?«
    »Kommt man vom Römerbad her, führt der Weg zu diesem neuen Restaurant, das mit der kriminell schönen Terrasse, an einer Reihe mit großen Wertstoffbehältern vorbei.
    Diese bunten Dinger, in die unmögliche Menschen auch nachts und am Sonntag

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