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Inselwaechter

Inselwaechter

Titel: Inselwaechter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob M. Soedher
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ihre Flaschen werfen. Manchmal, ich sage es Ihnen, wünsche ich mir droben auf der Galerie zu stehen mit einem Gewehr – doch keine Angst, es ist nur eine Fantasie. Unter diesen Plastikdingern befindet sich ein großer weißer. Ich habe aus den Augenwinkeln wahrgenommen, wie sich vor diesem hellen Hintergrund etwas bewegt hat. Da schaut man dann genauer hin.«
    »Und? Was sieht man, wenn man genauer hinschaut?«
    »Eine Frau«, antwortete Zychner gleichgültig.
    »Eine Frau? Sie haben sie erkannt?«, wiederholte Wenzel aufgeregt.
    »Nein. Ich habe sie nicht erkannt. Aber von der Gestalt her, dieser Schatten … es ist schwer zu beschreiben. Von der Bewegung her … eindeutig eine Frau.«
    »Beschreiben Sie so genau wie möglich. Hatte sie zum Beispiel etwas dabei, hat sie vielleicht etwas getragen?«
    »Nein. Jedenfalls habe ich nicht erkennen können, ob sie etwas bei sich trug. Sie ging zwar langsam, doch so, wie sie ging, war eine gewisse Zielstrebigkeit zu erkennen. Ich folgte diesem Schatten auch nur nebenbei. Die Frauengestalt passierte dieses moderne Clubhaus und ging auf die äußere Mole hinaus.«
    »Dort war immer noch das Boot«, stellte Wenzel fest, der seinen Ärger zügeln musste, denn das hätte ihm der Alte schon gestern sagen können.
    »Sicher, ja. Auf halbem Wege dort hinaus, da ist diese Frau stehen geblieben, so als hätte sie über etwas gestutzt; sie ist dann aber weitergegangen. Allerdings mit eher zögernden Schritten, wie ich meine.«
    »Meine?«
    Zychner hob den Kopf, so wie er es früher getan hatte. Wenzel unterdrückte das Lächeln.
    »Ja, wie ich meine! Wenn ich gewusst hätte, dass dort unten ein so schreckliches Verbrechen geschieht, hätte ich mich anders verhalten. Ich bezog das Zögern in ihrem weiteren Fortschreiten jedoch darauf, dass da ja ein Boot lag. Ist doch eine natürliche Sache, nicht wahr.«
    »Sicher, sicher«, beruhigte Wenzel, »also weiter, was geschah dann?«
    »Vom Boot stieg ein Mann die Leiter empor und tauchte auf der Mole auf. Er eilte die paar Meter hin zum alten Clubhaus.«
    »Wie bitte?!«, entfuhr er Wenzel.
    »Ja. Bitte fragen Sie mich nun nicht, ob er etwas in den Händen hielt – ich konnte es nicht erkennen.«
    »Überlassen Sie es mir, was ich Sie frage und was nicht«, giftete Wenzel und befahl: »Erzählen Sie weiter. Wo befand sich die Frau zu diesem Zeitpunkt?«
    »Ich gehe davon aus, dass sie den Mann nicht sehen konnte. Die Mole knickt in ihrem Lauf leicht auf die Insel zu. Das alte Clubhaus verdeckt die Sicht. Aber zu Ihrer Frage: Die Frau verschwand im Schatten der Wände. Ich habe nichts mehr erkennen können. Sie werden mir glauben, wenn Sie später oben stehen.«
    »Jaja. Ich glaube Ihnen schon«, sagte Wenzel nachdenklich. Er konstruierte gerade die Geschehnisse. Er sprach halblaut vor sich hin. »Dann könnte es sein, dass dieser Mann vom Boot Agnes Mahler, als sie hinten am Clubhaus aufeinandergetroffen sind, erstochen hat. Das Boot ist dann von der Mauer aus abgetrieben worden. So könnte es gewesen sein.«
    »Nein. So war es mit Sicherheit nicht«, sagte Zychner mit bestimmtem, Wenzels Vorstellungswelt zerstörendem Ton, »so kann es nicht gewesen sein.«
    »Haben Sie mir etwas verschwiegen?«
    »Sie lassen mich nicht ausreden und entfalten Ihre Gedanken, ohne im Besitz aller Informationen zu sein.«
    Wenzel machte eine etwas überspitzte, auffordernde Bewegung mit der Hand, dass Zychner doch weiterreden solle.
    »Diese Frau, die die Mole entlanggegangen war, ist nicht ermordet worden.«
    Wenzel verzog sein Gesicht zu einer ungläubigen Miene. »Ach.«
    »Ja, ach. Sie ist nicht ermordet worden, weil sie nach kurzer Zeit wieder aus dem Schatten auftauchte und zur Insel hin weglief. Sie werden mir darin zustimmen, dass dies nicht gegangen wäre, hätte der Mann vom Boot sie zuvor ermordet, nicht wahr? Dieser ist ja fast im selben Augenblick auch wieder aufgetaucht, kurz nach der Frau. Er ist zurück, die Leiter hinuntergeklettert und mit seinem Boot verschwunden.«
    Wenzel brauchte eine Weile, um das Gehörte zu verarbeiten. »Diese beiden … sie haben sich also am Clubhaus getroffen?«
    »Davon kann man ausgehen«, konstatierte Zychner.
    »War ihren Bewegungen etwas anzumerken, als sie, jeder in eine andere Richtung, wieder gegangen sind?«
    »Mhm. Die Bewegungen waren jedenfalls nicht von solchem Ausdruck, dass sie mir an jenem Morgen als besonders aufgefallen wären. Vielleicht, dass der Mann sich noch ein-, zweimal umgedreht hat.

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