Inselwaechter
dem Weg nach hinten geriet er in eine Wolke Kaffeedunst. Gommi war also wieder da.
Im Besprechungsraum traf er die anderen. Kimmel knetete schon so früh seine Hände. Gommert jammerte laut und ließ sich von Schielins Eintreten nicht unterbrechen. »Ich hab nur gemacht, was die Trainerin mir gesagt hat und für des Hundle war des gar nicht schlimm. Im Gegenteil – ich hab sogar gemeint, dass es ihm recht Spaß macht«, er wendete sich Schielin zu, der einen Stuhl zurechtrückte, »aber des ist doch ein Wahnsinn, oder? Die Polizei anzurufen deswegen, ja wo leben wir denn inzwischen!? Schweinefleisch für zwei Euro das Kilo in sich reinstopfen, aber seine Tierliebe entdecken wollen, wenn einer seinen Hund erzieht!«
Schielin grinste. Er hatte am Gang schon von Gommis Pech gehört. Kimmel meinte abwehrend: »Ja, so ist das halt bei uns.«
»Ja, genau! So ist des bei uns. Lauter Aufpasser. Man fühlt sich ja gar nicht mehr frei. Im Bregenzer Wald drüben, da kann man stundenlang mit seinem Hund herumlaufen und erziehen, sogar mit einer Frau in Lederhose und kurzen roten Haaren. Da ruft keiner die Polizei. So weit ist es schon gekommen, dass man nach Österreich muss, wenn man sich frei fühlen will.«
Kimmel machte mit einer verlorenen Handbewegung deutlich, dass er dieses Thema nicht diskutieren wollte. Gleich nach Gommis letztem Klagen sprach er Schielin an. »Jasmin und Robert holen den Grohm. Sie müssten bald da sein und der kleine Dohmen ist auch schon fertig. Seine Eltern wissen Bescheid und werden einen Anwalt schicken.«
Schielin wollte, dass Jasmin Gangbacher sich zuerst mit Dohmen befasste. Er reagierte auf sie und vielleicht konnte sie ihn dazu bewegen, noch vor Eintreffen des Anwalts etwas zu sagen. Kimmel stimmte zu und verzog sich in sein Büro. Kurze Zeit später kamen Robert Funk und Jasmin Gangbacher mit Grohm, der jeglichen Blickkontakt vermied und bei Gommi im Büro geparkt wurde. Schielin wollte ihn eine Weile schmoren lassen.
Jasmin Gangbacher saß Bernd Dohmen gegenüber. Robert Funk hatte einen Stuhl vom Tisch weggerückt und seitlich hinter Dohmen Platz genommen, der meinen sollte, mit der jungen Kollegin alleine zu sein. Das Aufnahmegerät hatten sie nur deswegen zuvor eingeschaltet, damit Jasmin ihr Gespräch später durch das explizite Ausschalten des Gerätes auf eine sichtbar persönlichere Ebene stellen konnte. Bernd Dohmen hatte am Morgen, nach einem Becher Kaffee, seine Personalien angegeben und war darüber informiert worden, dass seine Eltern einen Anwalt für ihn bestellt hatten. Ab diesem Augenblick schwieg er beharrlich. Inzwischen hatten sie auch erfahren, dass er Musik studierte; Hauptfach Komposition.
Jasmin Gangbacher fing die Sache geschickt an. Nachdem sie das Aufnahmegerät ausgeschaltet hatte, begann sie zu erzählen. Zuerst von sich. Weshalb sie zur Polizei gegangen war, dass sie am Bodensee sozusagen hängen geblieben war, dies und das. Geplätscher. Bernd Dohmen hörte aufmerksam zu, denn es war ihm angenehm ihr zuzuhören und es lenkte ihn von seiner Situation ab. Aus Krimis wusste er, dass man in einer solchen Situation befragt wurde. In den Filmen strahlten Scheinwerfer, die Polizisten trugen Hosenträger und waren genauso verschwitzt wie die Verdächtigen, die irgendwann weinend zusammenbrachen und gestanden. So ein Krimi musste ja auch nach eineinhalb Stunden zu Ende sein. Hier war alles anders. Er hatte alle Zeit der Welt, weil sein Leben seit fünf Tagen ein anderes, neues war, und diese schwarzhaarige Polizistin stellte keine Fragen, sondern sie erzählte. Von sich und von der Frau im Segelhafen, die man erstochen aufgefunden hatte. Wie ihr Name lautete, was sie von Beruf gewesen war, von wo sie stammte und dass sie die Sonnenaufgänge am Bodensee immer sehr genossen habe.
Als die Erzählung zur Frau kam, senkte er den Kopf und wollte weghören, aber es war so, als spräche die Polizistin gar nicht zu ihm, sondern nur so in den Raum hinein. Und – es interessierte ihn. Es interessierte ihn, endlich zu erfahren, was das für eine Frau gewesen war und was für ein Leben sie gehabt hatte. Eine Frage riss ihn aus seiner düsteren Gedankenwelt.
»Kannten Sie die Frau?«
»Nein«, kam es ganz automatisch, obwohl er doch schweigen wollte.
»Sie haben sich aber mit ihr getroffen, unten am alten Clubhaus.«
»Nein. Ich habe mich mit niemandem getroffen.«
»Aber Sie müssen sich doch begegnet sein. Ein Zeuge hat uns berichtet, dass Sie vom Boot hergekommen
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