Inselzauber
mit Rumkirschen und friesischen Waffeln mit Pflaumenmus. Wir sagen beide kein Wort, und ich habe plötzlich das untrügliche Gefühl, dass es auch nicht nötig ist. Als sich unsere Hände wie zufällig berühren, während wir beide nach dem Kandis greifen, zuckt keiner von uns zurück. Stattdessen nimmt Leon meine Hand, drückt sie sanft, aber fest und sieht mir tief in die Augen.
»Diesmal lasse ich dich nicht mehr los, egal, was passiert«, sagt er.
Dann küssen wir uns. Endlich.
Es ist Sommer.
Zeit für Sommerküsse.
Für die schönsten Küsse, die ich je bekommen habe.
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Kapitel 19
D as muss weiter da rüber«, kommandiert Bea einige Wochen später, als Ole auf der Leiter herumturnt und versucht, ein Schild über dem Laden anzubringen. In schwungvollen Lettern prangt der Name »Büchernest« auf der Tafel, die so schwer ist, dass Ole beinahe droht, sie fallen zu lassen.
»Komm schon, Ole, mach hinne«, feuert Vero ihn an und blinzelt in die Sonne. »Wir wollen heute noch fertig werden.«
»Schon gut«, antwortet er genervt, und dann sitzt das Schild exakt da, wo es sein soll.
»Bravo«, rufen Bea, Nele, Vero und ich und klatschen Beifall. Dabei blicken wir alle vier stolz auf den neuen Eingang mit den Schiebetüren, die im Sonnenlicht glänzen, weil Vero sie wie eine Verrückte geputzt hat.
»Na, werdet ihr auch rechtzeitig zur Eröffnung heute Abend fertig?«, erkundigt sich Leon, der wie jeden Tag vorbeikommt, um seinen Pressespiegel zu holen. Nur mit dem Unterschied, dass er mich jetzt nicht mehr freundschaftlich grüßt, sondern umarmt und leidenschaftlich küsst.
»Klar schaffen wir das!«, antworten Nele und ich unisono. »Wir haben schon ganz andere Sachen hinbekommen.«
»In der Tat«, antwortet Leon und lacht. »Also dann, bis heute Abend«, sagt er und verabschiedet sich, während ich ihm sehnsuchtsvoll nachsehe.
Die vergangenen Wochen mit ihm waren ein absoluter Traum und sind verflogen, als ob es nur wenige Tage gewesen wären. Ich bin verliebt bis über beide Ohren, und das Schönste ist, dass es Leon ebenso geht. Der einzige Wehmutstropfen ist der, dass meine Zeit in Mailand immer näher rückt. Genau genommen bleiben uns nur noch zwei Monate, bis ich nach Italien gehe. Der Vertrag ist zwar immer noch nicht unterschrieben, doch das ist laut Marina Rinaldi »ganz normal«. Wir telefonieren ungefähr einmal die Woche und haben auf diese Weise die wichtigsten Modalitäten per E-Mail festgehalten.
Auch das ist neu: Die ehemalige Bücherkoje verfügt jetzt über elektronisches Equipment, also auch über zwei Computer und einen Internetanschluss. Das muss auch so sein, weil wir mittlerweile aufgrund der gelungenen Website, die Leons Freund Dirk kreiert hat, viele Anfragen bekommen.
Bea, Vero und Nele strahlen um die Wette, so sehr freuen sie sich über die bevorstehende Eröffnung des Büchernests. Wir werden heute Abend mit großem Tamtam feiern und haben zu diesem Zweck Martina Meier engagiert, deren Fischspezialitäten schon einmal gut bei den Kunden angekommen sind.
»So, ihr Süßen, ich muss jetzt los«, sage ich und verweise auf meinen anstehenden Friseurtermin. Schließlich will ich heute Abend gut aussehen, wenn Beas und Neles Traum wahr wird. Und Monsieur Arnaud darf man keinesfalls warten lassen!
Während ich kurz darauf erneut auf dem Thron sitze, die Tönung einwirken lasse und Tee trinke (den Cremant lasse ich mir diesmal nicht aufschwatzen), denke ich über die vergangenen Wochen nach. Sie waren turbulent und anstrengend, aber in erster Linie wunderschön. Ich kann mich kaum an einen Lebensabschnitt erinnern, den ich so schön fand wie diesen Sommer.
Nach unserem ersten Kuss mussten Leon und ich uns natürlich vorsichtig einander annähern. Zu groß war der Sprung von platonischer Freundschaft zum Liebespaar. Doch wir haben uns für alles Zeit gelassen und dafür jede Minute genossen, die wir zusammen verbracht haben. Wir redeten ganze Nächte hindurch, gingen zusammen mit Timo endlos am Strand spazieren, holten unser Abendessen im Samoa-Seepferdchen nach und waren noch mal mit Paula schwimmen. Nie zuvor in meinem Leben habe ich mich bei einem Mann so gut aufgehoben gefühlt. Leon ist sensibel, warmherzig, ein wunderbarer Zuhörer und kluger Ratgeber, und nicht zuletzt bringt er mich immer wieder zum Lachen. Es gibt nichts, was ich ihm nicht erzählen könnte, und ich weiß, dass es ihm genauso geht.
Vergessen sind all die Schmerzen wegen Stefan und Julia.
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