Inselzauber
beigetragen haben, das Projekt Büchernest zu verwirklichen, schießen mir auf einmal Tränen in die Augen. Ich bin gerührt von so viel Solidarität und so viel freundschaftlichem Engagement. Und ich sehe in die Gesichter meiner Tante und meiner Freundin, die erwartungsvoll in die Zukunft blicken – eine Zeit, die ich leider nur am Rande werde verfolgen können.
Leon drückt meine Hand, als ahnte er, was in meinem Kopf vor sich geht.
Auf einmal weiß ich, dass ich es nicht tun kann.
Ich kann nicht nach Mailand gehen.
Alles, was ich liebe, ist hier.
Hier auf Sylt.
Alles, wonach ich mich immer gesehnt habe, Geborgenheit, Freundschaft und Liebe, habe ich hier gefunden.
Weshalb sollte ich das Leben nicht endlich einmal genießen?
»Ich bleibe«, flüstere ich Leon ins Ohr.
Zuerst sieht er mich verwundert an, dann drückt er mich an sich. So fest, dass ich kaum atmen kann. »Ich danke dir«, flüstert er zurück, und mir wird beinahe schwindlig von meinem Entschluss.
Was wohl Bea und Nele dazu sagen werden? Und erst Marina Rinaldi, wenn ich ihr mitteile, dass sie sich eine andere Pressereferentin suchen muss?
Während ich fieberhaft überlege, ob sie mich wegen Vertragsbruchs belangen kann, erhasche ich einen Blick von Bea, die mich fragend mustert, während Nele gerade von den geplanten Veranstaltungen in den kommenden Monaten erzählt. Ich nicke ihr zu und signalisiere ihr, dass ich gleich mit ihr sprechen muss. Meine Tante lächelt zurück, als wisse sie, was ich ihr mitteilen werde.
Dann ist endlich der große Moment gekommen: Das Publikum klatscht Beifall, und ich zerschneide das Band. In Scharen strömen die Besucher in das umgebaute Büchernest, flankiert von Martina Meiers Servicekräften, die Prosecco und Orangensaft reichen.
»Du hast dich entschieden, hierzubleiben?«, fragt Bea, als sie auf mich zutritt, und sieht mich hoffnungsvoll an.
»Ja, habe ich, wenn ihr mich hier haben wollt und brauchen könnt«, antworte ich und lächle meine Tante an.
»Ob wir dich hier haben wollen? Machst du Witze?«, entgegnet sie und umarmt mich. »Natürlich brauchen wir dich. Was glaubst du wohl, weshalb ich immer noch niemanden als Ersatz für Frau Stade eingestellt habe? Ich habe die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass du es dir anders überlegst.«
»Wer hat sich was anders überlegt?«, fragt nun Nele mit hochrotem Kopf und gesellt sich zu uns.
»Lissy bleibt«, beantwortet Bea an meiner Stelle die Frage und strahlt über das ganze Gesicht.
»Wie wundervoll«, ruft Nele so laut, dass sich alle Umstehenden nach mir umdrehen und nun auch Vero und Birgit Stade aufmerksam werden.
Meine Freundin und ich fallen uns um den Hals, und ich habe das Gefühl, noch nie in meinem Leben glücklicher gewesen zu sein.
»Ist das wahr? Du gehst nicht nach Mailand?«, erkundigt sich nun auch Vero und sieht beglückt aus.
»Ja«, antworte ich und lehne mich an Leon, der hinter mir steht und mich umarmt. »Ich kann euch doch unmöglich alleine lassen!«
In diesem Augenblick wechseln Vero und Bea bedeutungsvolle Blicke, und meine Tante nickt ihrer Freundin zu. Was die beiden wohl im Schilde führen? Dann zieht Vero einen Umschlag aus ihrer Handtasche und sieht Nele und mich feierlich an. »Bea und ich haben ein Eröffnungsgeschenk für euch beide«, sagt sie, und ich bin gespannt, was jetzt kommt.
»Mit diesem Geschenk möchten wir uns bei dir dafür bedanken, dass du uns die Möglichkeit gegeben hast, auf Weltreise zu gehen, Lissy. Auch wenn wir die Tour wegen Beas Krankheit vorzeitig abbrechen mussten, gehört sie doch zu den schönsten Erlebnissen unseres Lebens.«
»Weil wir auf dieser Reise so glücklich waren, wollten wir nun euch beiden eine Freude machen«, vervollständigt Bea den Satz ihrer Freundin und übergibt mir den Umschlag.
Mit zitternden Händen öffne ich das Kuvert, während Nele und Leon mir interessiert über die Schulter blicken.
Es ist ein Gutschein, den eine Gondel ziert.
Ein Gutschein über eine zweiwöchige Reise nach Venedig und Norditalien für Nele und mich.
Für einen Moment bin ich sprachlos, so sehr freue ich mich über diese liebevolle Geste. Auch Nele ist überrascht und stößt einen spitzen Freudenschrei aus.
»Aber wer arbeitet dann im Büchernest?«, frage ich zaghaft, weil ich mal wieder praktisch denke.
»Na, wer wohl? Birgit Stade, Lisa und ich«, antwortet Bea und lächelt.
»Und wer wird so lange kochen?«, äußert nun Nele ihrerseits ihre Zweifel und sieht fragend in
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