Inselzauber
einen eigenen Bereich überträgt. »Das ist ja super. Ich danke dir«, sage ich und freue mich wie ein kleines Kind. »Aber was wird Frau Stade dazu sagen, wenn ich diese neue Warengruppe allein betreue? Schließlich ist sie deine erste Sortimenterin?«
»Das wird sie schon verkraften«, antwortet Bea und schmunzelt. »So wie ich es verkraften muss, mir einzugestehen, dass ich diesen Beruf schon sehr lange ausübe und im Laufe der Zeit etwas betriebsblind geworden bin. Das gilt, wenn auch nicht in gleichem Maße, genauso für Birgit Stade. Die Zeiten ändern sich, und im Prinzip kann ich mich glücklich schätzen, dass dank dir ein neuer Wind in der Bücherkoje weht.«
Ich weiß immer noch nicht so recht, was ich denken oder sagen soll. Welch eine Wendung! »Und zu dieser bahnbrechenden Erkenntnis bist du ganz allein gekommen, oder hat Vero da ein bisschen nachgeholfen?«, piesacke ich meine Tante und sehe sie herausfordernd an.
»Wenn ich ehrlich sein soll, hast du meinen Meinungsumschwung in erster Linie ihr zu verdanken. Sie hat mich, wie man so schön sagt, ordentlich auf den Pott gesetzt und mir klargemacht, dass ich in den vergangenen Jahren eigensinnig geworden bin und zu Engstirnigkeit neige. Das hat sie wohl auf der Reise besonders deutlich festgestellt. Aber sie hat mich trotz aller Kritik auch getröstet und mir erklärt, es liege daran, dass ich eben hier alleine lebe und nicht so viel mit jüngeren Menschen zu tun habe.«
Tja, da lebt Vero mit ihren Kindern und Enkeln in der Tat ein anderes Leben, denke ich und bin froh, dass Bea eine so wunderbare Freundin hat. »Wenn das so ist«, sage ich grinsend und nehme noch einen Schluck Fruchtpunsch, »dann sollten wir der Bücherkoje auch gleich einen Internet-Auftritt gönnen.« Vorsichtshalber bringe ich mich in Sicherheit, bevor Bea mir ihren Schuh an den Kopf wirft.
Beglückt von unserem Gespräch, gehe ich nach einem gemeinsamen Abendessen, bei dem wir weitere Pläne schmieden (der Homepage hat Bea sich dennoch vorerst verweigert), nach oben. Ich durchforste meinen Kleiderschrank für mein bevorstehendes Rendezvous und komme zu dem Ergebnis, dass Nele recht hat: Ich muss dringend einkaufen und zum Friseur!
Am nächsten Morgen erwache ich gut gelaunt, sogar ein wenig früher als sonst, und bleibe noch einen Moment im Bett liegen, um dem Zwitschern der Vögel zu lauschen, die endlich aus ihren Winterquartieren zurück auf die Insel gekommen sind. Ich bin froh, dass es mittlerweile morgens schon hell ist, weil es mir dann viel leichter fällt, meine Runde mit Timo zu drehen. Singend mache ich mich im Bad zurecht und freue mich auf den vor mir liegenden Tag.
Da Lisa heute in der Bücherkoje ist, wird es sicher kein Problem sein, wenn ich mir den Nachmittag freinehme, um meine Haare in Form bringen zu lassen und mir etwas Schönes zum Anziehen zu kaufen.
»Hallo, Paula, meine Süße«, begrüße ich unsere kleine Nachbarin, die wieder mal etwas missmutig aus der Wäsche guckt. Sie ist blass wie eh und je, und heute fällt mir zum ersten Mal auf, dass ich sie noch nie habe lachen hören. Wie traurig, denke ich, wenigstens Kinder sollten unbeschwert und fröhlich sein, die Probleme im Leben beginnen schließlich früh genug. »Wollen wir mal zusammen schwimmen gehen?«, höre ich mich plötzlich zu meiner eigenen Überraschung fragen. O mein Gott, was ist nur mit mir los?
Auch Paula sieht verdutzt aus und antwortet zunächst gar nicht. Doch die Art, mit der sie in ihrem Kakao rührt, zeigt mir, dass sie mit sich kämpft.
»Ach, komm schon, Schätzchen, sag ja. Das wird bestimmt lustig! Du kannst doch schwimmen, oder?«, erkundige ich mich, weil mir plötzlich einfällt, dass Tanja als alleinerziehende Mutter womöglich vielleicht keine Zeit für einen Schwimmbadbesuch mit ihrer Tochter hat.
»Klar kann ich das«, lautet ihre selbstbewusste Antwort.
Daraufhin beschließe ich, vorerst nichts mehr zu diesem Vorschlag zu sagen. Jetzt ist es an Paula, den Ball aufzunehmen, den ich ihr soeben zugespielt habe.
Unser Frühstück verläuft schweigend, wie immer, und ich bin froh, als Bea den Kopf durch die Küchentür steckt.
»Guten Morgen, ihr beiden«, sagt sie und strahlt uns an. Offensichtlich wirken das schöne Wetter und unser gestriges Gespräch auch auf das Gemüt meiner Tante positiv. »Was habt ihr beiden Hübschen denn heute vor?«, erkundigt sie sich.
Das bietet mir eine gute Gelegenheit, ihr von meinen Plänen zu erzählen und sie zu bitten,
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