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Inselzauber

Inselzauber

Titel: Inselzauber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriella Engelmann
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unübersichtliche Abholfach effizienter organisieren, und wir hätten einen besseren Überblick über die Lagerumschlagsgeschwindigkeit unserer Titel. An der Kasse müssten wir nicht mehr alles per Hand eintippen, sondern würden nur noch die Barcodes scannen. Was meinst du, wie schnell wir im Weihnachtsgeschäft kassieren könnten? Die ersparte Zeit könnten wir in eine intensive Beratung der Kunden investieren.« Allmählich rede ich mich in Rage, so sehr beschäftigt mich dieses Thema.
    Bea verzieht keine Miene, und ich weiß momentan nicht, ob das ein gutes oder ein schlechtes Zeichen ist.
    Aber nun kann ich nicht mehr zurück und fahre ohne Rücksicht auf Verluste fort. »Was wir auch dringend abschaffen müssten, ist dieser dämliche Kopierer und den lästigen Briefmarkenverkauf. Weißt du eigentlich, wie viel Zeit dadurch verlorengeht? Außerdem fehlen uns im Sortiment alle Formen von elektronischen Medien. Wir führen weder Videos noch DVD s, und unser Hörbuchsortiment ist ein Witz. Dann sollten wir meines Erachtens dringend Taschenbücher und Hardcover bei den Romanen zusammenstellen, damit die Kunden auf einen Blick sehen, in welcher Ausführung das Buch erhältlich ist, das sie haben wollen.«
    An dieser Stelle halte ich inne, weil mir die Situation langsam unheimlich wird. Ich klinge wie eine notorische Nörglerin und unangenehme Besserwisserin und spiele mich auf, als hätte ich die buchhändlerische Weisheit mit Löffeln gegessen.
    Meine Tante empfindet offenbar ähnlich, denn sie sieht mich nicht besonders freundlich an. Genau genommen mustert sie mich mit einem Blick, mit dem sie mich noch nie angesehen hat, und zwar seit ich denken kann. »Bist du jetzt fertig?«, fragt sie mit kalter Stimme.
    Augenblicklich bereue ich, uns beide in diese unwürdige Situation gebracht zu haben. »Ja, bin ich«, antworte ich kleinlaut und wage es kaum, meine Tante anzusehen. Auf einmal fühle ich mich wie ein kleines Kind, das in der Schule zu vorlaut war und nun von seiner Lehrerin getadelt wird. Aber vermutlich geschieht es mir ganz recht.
    »Ich danke dir für deine Ausführungen«, sagt Bea völlig sachlich, »und werde darüber nachdenken. Aber jetzt bin ich müde und möchte gern schlafen gehen. Du hattest sicher auch einen anstrengenden Tag mit dem Kassieren von Briefmarken, den telefonischen Bestellungen und den unzähligen Reparaturen des Kopierers. Schlaf gut, bis morgen«, sagt sie und geht, ohne sich noch einmal nach mir umzusehen oder mich versöhnlich anzulächeln, nach oben.
    »Mist, Mist, Mist«, denke ich und gehe nervös im Wohnzimmer auf und ab. Was habe ich da nur angerichtet?

[home]
    Kapitel 11
    N ach einer unruhigen Nacht, in der ich überlegt habe, wie ich das mit Bea wieder geradebiegen kann, und zudem genervt von der Aussicht, heute Frau Stade zu begegnen und in Sachen Schaufensterdekoration klein beigeben zu müssen, betrete ich am folgenden Tag die Bücherkoje. Meine Kollegin ist zusammen mit Lisa dabei, die Fenster leer zu räumen. Mürrisch helfe ich den beiden und male Preisschilder für die Reiseführer. Birgit Stade verliert kein Wort darüber, dass ich mich von meinem Traum-Motto verabschiedet habe und nun stattdessen wieder Diät- und Sportbücher ins Fenster kommen.
    Leon, der soeben die Buchhandlung betritt, wirkt ebenfalls nicht gerade gutgelaunt, so dass wir an diesem Tag kaum ein Wort miteinander wechseln. Der Vormittag plätschert dahin, und gegen Mittag beschließe ich, dass ich dringend einen Tapetenwechsel brauche. Das Schöne an der Inselsituation ist zwar, dass man sich im wahrsten Sinne des Wortes auf einer Insel fühlt und darüber die Realität vergessen kann. Alles, was zählt, ist der Mikrokosmos, in dem man sich Tag für Tag bewegt. Weltnachrichten wirken auf einmal seltsam fern und scheinen nichts mit dem eigenen Leben zu tun zu haben. Das ist natürlich der idyllische Aspekt, den vor allem die Urlauber hier genießen. Wenn man allerdings hier lebt und arbeitet, kann dieses vermeintliche Idyll auch schnell umschlagen und die Insel zu einem kleinen Gefängnis werden lassen.
    Heute ist so ein Tag, an dem ich das Gefühl habe, trotz der gesunden Luft nicht richtig atmen zu können. Seit vier Monaten kreisen meine Gedanken um dieselben Themen, dieselben Personen, und mein Radius erstreckt sich lediglich über ein paar Kilometer. Vielleicht sollte ich im September verreisen. Als Zäsur zwischen meiner Zeit auf Sylt und dem neuen Lebensabschnitt, der danach auf mich

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