Inselzauber
Auffrischung vertragen.
»Wenn wir schon mal dabei sind: Du könntest ruhig mal wieder zum Friseur gehen. Ein paar helle Strähnchen würden bestimmt süß aussehen«, fährt Nele fort und ist voll in ihrem Element.
»Aber ich klebe mir keine falschen Fingernägel an, lasse mir keine Extensions einflechten und trage auch keinen Push-up- BH , nur damit du dir keine falschen Hoffnungen machst«, erwidere ich und merke, wie gut es mir tut, mal ein bisschen Mädchen zu sein und ein weniger tiefsinniges Gespräch über Kleidung und Frisuren zu führen.
Doch dann wird unser Styling-Diskurs von einer SMS unterbrochen. Sie ist von Alexander Herzsprung, der meine Freundin am kommenden Wochenende besuchen und mit ihr einen Segeltörn machen möchte. Offensichtlich hat der Mann keine Ahnung davon, dass meine Freundin ein Café führt, in dem sie Gäste bewirten muss. Ich lasse Nele mit ihrem Mobiltelefon und ihren Planungen allein und hoffe inständig, dass sie sich nicht zu irgendwelchen Leichtsinnigkeiten hinreißen lässt.
Als ich ins Kapitänshaus zurückkehre, habe ich fast ein wenig Angst davor, meiner Tante zu begegnen. Ich hasse Streit in jeder Form und will ihn immer so schnell es geht beilegen. Hoffentlich ist Bea nicht nachtragend, denke ich, während ich den Schlüssel ins Schloss stecke. Zu meiner großen Erleichterung scheint sie sich wieder gefangen zu haben und bittet mich zu sich auf die Terrasse, wo sie, in eine Decke gehüllt, sitzt.
»Lissy, da bist du ja«, sagt sie und bietet mir ein Glas Fruchtpunsch an. »Wie war es denn heute in meiner unorganisierten Buchhandlung?«, fragt sie und schmunzelt.
Mir purzelt ein Stein vom Herzen. »Bitte entschuldige, ich habe das, was ich gestern gesagt habe, nicht so gemeint«, setze ich zu einer Verteidigungsrede an. »Natürlich finde ich meine Ideen nach wie vor größtenteils richtig, aber es war falsch, sie dir so ungefragt und unreflektiert um die Ohren zu hauen. Schließlich hast du diese Buchhandlung, seit ich dich kenne, und sie läuft sehr gut. Deine Kunden lieben dich und warten nur darauf, dass du endlich wieder arbeiten kannst. Du machst das schon alles richtig. Also, hör nicht auf deine altkluge Nichte, die mit ihren Umstrukturierungsideen ein wenig übers Ziel hinausgeschossen ist.«
An dieser Stelle lächelt meine Tante noch mehr und streichelt Timo, der es sich zu ihren Füßen gemütlich gemacht hat. »Ich hatte heute den ganzen Tag Zeit, über das nachzudenken, was du vorgeschlagen hast«, antwortet sie und sieht mich mit festem Blick an. »Und ich bin zu dem Ergebnis gekommen, dass du größtenteils wirklich recht hast. Vero ist im Übrigen auch deiner Meinung«, sagt sie, und ich frage mich, was auf einmal die Freundin meiner Tante damit zu tun hat. »Ich habe sie heute Nachmittag angerufen, weil ich eine neutrale Meinung zu diesem Thema haben wollte. Wir sind beide emotional sehr involviert und haben dementsprechend keinen objektiven Blick auf die Bücherkoje. Aber Vero hat nicht lange gezögert und dir in beinahe allen Punkten zugestimmt.«
»Aha«, antworte ich, neugierig zu erfahren, an welcher Stelle Vero nicht einer Meinung mit mir ist.
»Auch wenn du es nicht gern hören möchtest: Der Kopierer und die Briefmarken bleiben. Die sind notwendig, um Laufkundschaft in die Buchhandlung zu holen. Allerdings überlege ich, endlich ein neues Kopiergerät anzuschaffen, das nicht mehr so störanfällig ist und das die Kunden selbst bedienen können. Ich denke, ich werde in den kommenden Tagen mal einen technischen Berater kommen lassen, der mir einen Kostenvoranschlag für die Umstellung auf den Computer, die elektronische Kasse mit Scanner und das Warenwirtschaftssystem machen soll. Dich, Lissy, würde ich gern bitten, einmal eine Liste der Videos, DVD s und Hörbücher zu erstellen, die wir deiner Meinung nach im Sortiment führen sollten. Gleichzeitig könntest du dir darüber Gedanken machen, wie wir die Abteilungen in der Buchhandlung umräumen, damit die neue Warengruppe auch entsprechend Platz findet. Das kann dann gleich im Zuge der Zusammenführung der Taschenbücher und Hardcover in der Belletristik erfolgen. Außerdem möchte ich dir gerne die komplette Verantwortung für diesen Bereich übertragen, also auch für den Einkauf«, fährt sie fort.
Für einen Moment bin ich sprachlos. Ich hätte im Leben nicht damit gerechnet, dass meine Tante nach dieser ersten beleidigten Reaktion derart ins Gegenteil umschwenkt und mir auch noch
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