Inselzauber
aus als trocken«, konstatiert er.
Spontan überlege ich, ob ich wohl heute Abend besser im Wetlook mit Marco essen gehen soll.
»Wie oft shampoonieren Sie Ihre ’aar?«, erkundigt er sich.
Ich überlege, wie an dieser Stelle wohl die richtige Antwort lautet. Täglich? Alle drei Tage? Gar nicht? Ich entscheide mich für die Wahrheit – alle drei Tage.
»
Oh, là là,
das ist zu viel«, antwortet Le Figaro und sieht mit einem Mal bestürzt aus. Und ein wenig traurig. »Das ist die Problem mit die Deutschen und die Amerikaner. Sie shampoonieren ihre ’aar viel zu viel. Einmal die Woche genügt«, klärt er mich auf.
Unwillkürlich muss ich daran denken, dass die Franzosen in einer bestimmten Phase ihrer Geschichte kein besonders empathisches Verhältnis zu Wasser hatten. Vermutlich hätte Arnaud es lieber, wenn ich mir die Haare einmal wöchentlich mit Puder bestäuben würde.
Ich beschließe, fürs Erste nichts zu sagen, was auch nicht nötig ist, da Coco nun mit der Tönung und den Strähnchen beginnt. Während sie sich abmüht, blättere ich in der neuesten Ausgabe der
Vogue,
nippe an meinem Cremant (was auch immer es ist, auf alle Fälle enthält es Alkohol!) und träume vor mich hin. Bis eine SMS mich aus meinem Dämmerzustand reißt, was mir einen missbilligenden Blick von Arnaud einbringt, der gerade an meinem Thron vorbeigeht.
»Wie isses?«, erkundigt sich Nele, und ich tippe, das Handy verschämt unter dem Friseurkittel versteckt: »Skurril. Melde mich, wenn ich fertig bin.«
Um 16.00 Uhr ist es dann so weit: Ich sehe in den Spiegel und bin verzückt. Coco hat auf Arnauds Anweisung (»
Oh, là là,
die Brau is nisch sehr schön!«) aus meinen natürlich gewachsenen Augenbrauen einen schmalen, kunstvollen Bogen gezaubert, meine Haare haben durch das Durchstufen mit dem Messer Volumen bekommen (»Ah, der ’interkopf, er is wirklisch zauberhaft, Mademoiselle!«) und schimmern in einem warmen Braunton, durchwirkt von goldglitzernden Strähnen. Wenn ich zu Hause noch etwas Rouge auftrage und die Wimpern noch mal tusche (ich konnte Coco gerade noch davon abhalten, mir die Wimpern zu färben), sollte ich mich attraktiv genug für den Abend fühlen.
»Das macht dann hundertdreißig Euro«, flötet Coco mir zu.
Augenblicklich bekomme ich weiche Knie. 130 Euro? Ich muss mich verhört haben!
Während ich hektisch nach meiner EC -Karte suche und überlege, wie viel Trinkgeld man angesichts eines solchen Betrags gibt, schiebt Coco mir die Rechnung über den Tresen, auf der jeder einzelne Posten fein säuberlich aufgelistet ist. Auch der Cremant, der mit 16 Euro zu Buche schlägt. Hätte ich das geahnt … Froh, nicht auch noch für die Lektüre der
Vogue
zahlen zu müssen, unterschreibe ich mit zitternden Händen meinen EC -Beleg, lächle Arnaud noch einmal dankend zu und begebe mich an die frische Luft.
Kein Wunder, dass Nele chronisch pleite ist, wenn sie zu DIESEM Friseur geht, denke ich, während ich die nächstbeste Boutique entere. Es dauert eine Weile, bis ich das Passende gefunden habe, doch nach vier bis fünf weiteren Anläufen setze ich mich, bepackt mit einigen Tüten, in den Jeep und trete den Heimweg nach Keitum an.
»Toll siehst du aus«, lobt Bea mich, als ich kurz vor 20.00 Uhr die Treppe herunterkomme. Mein Ausflug hat sich gelohnt, und ich trage voller Stolz ein schönes Sommerkleid aus blassrosa Chiffon mit einer passenden Wickeljacke aus Mohair. In meinen Ohrläppchen stecken kleine blassrosa Perlen, und ich kann nur noch hoffen, dass Marco mich in ein edles Restaurant ausführt, damit ich nicht völlig overdressed wirke. Und dass es dort einigermaßen warm ist …
Meine Befürchtungen erweisen sich als ungerechtfertigt, weil Marco mit mir zur Sturmhaube on the Beach nach Kampen fährt, einem edlen Restaurant unweit des Roten Kliffs, das berühmt für seine Bar ist, von der aus man einen unvergleichlichen Blick auf den Sonnenuntergang hat.
Das Interieur ist relativ cool und puristisch, jedoch nicht unpersönlich. Ein charmanter Kellner begleitet uns an unseren Tisch und serviert einen trockenen Martini, den Marco (wir haben beschlossen, uns zu duzen) als Aperitif für uns bestellt.
Wir beginnen mit einer Terrine von Meeresfrüchten auf Variationen von Blattsalaten, und Marco erzählt von seinen ersten Tagen als Inselschreiber.
»Das klingt ja nicht danach, als hättest du schon viel geschafft«, lache ich, weil Marco in erster Linie davon berichtet, wie er erste Surfversuche
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