Inselzirkus
bin!«
Busso hatte anscheinend Schwierigkeiten, durch die Absperrung zu gelangen. Niemand wollte ihm glauben, dass er von Tanja Möck als Komparse bestellt worden war. Das mochte daran liegen, dass er sich Mut angetrunken hatte und für den Fall, dass dieser Mut noch nicht reichte, einen Flachmann mit sich führte, der aus seiner GesäÃtasche heraussah.
Aber Tanja gab den beiden jungen Männern, die die Absperrung bewachten, einen Wink, und kurz darauf erschien Busso strahlend vor ihrem Klappstuhl und erkundigte sich als Erstes nach den hundert Euro, die ihm versprochen worden waren. Zu seinem Leidwesen wollte Tanja ihm jedoch nicht glauben, dass er seine Aufgabe wesentlich besser erfüllen würde, wenn das Geld schon in seiner Tasche steckte, bevor die erste Klappe geschlagen wurde. »Sie warten! So wie alle anderen auch«, sagte sie energisch.
Busso war entsprechend eingeschüchtert und sogar bereit, den Flachmann in Tanjas Obhut zu geben, als er hörte, dass aus den hundert Euro nichts werden würde, wenn er die Flasche noch ein einziges Mal an den Mund setzte.
Trotz dieser deutlichen Worte gesellte er sich äuÃerst vergnügt zu seinem früheren Kollegen Fietje und erzählte ihm, dass die italienische Signora so freundlich gewesen war, sich seiner Hose anzunehmen. »Du hast sie ja vollgekleckert.«
Diese Behauptung wollte Fietje nicht auf sich sitzen lassen. Aufgebracht stellte er klar, dass Busso selbst an der Kleckerei schuld gewesen sei, weil er ihn angestoÃen habe, als Fietje absolut nicht damit rechnen konnte. »Dass ich mir die Finger verbrannt habe, hast du wohl total vergessen?«
Im Nu entbrannte ein Streit, der Busso schon nach wenigen Minuten durstig machte. AuÃerdem behauptete er, dass er ein Zerwürfnis mit Fietje nur ertragen könne, wenn er einen Schnaps bekäme. Mamma Carlottas Vorschlag, sich schleunigst wieder mit Fietje zu versöhnen, damit der Schnaps überflüssig wurde, fand Busso bedenkenswert, aber gleich darauf fiel ihm ein, dass ein rechter Friede nur mit einem Schluck Alkohol geschlossen werden könne. »Sonst ist das nichts Halbes und nichts Ganzes.«
»Schluss jetzt!«, ging Tove dazwischen. »Du kannst später deine ganzen hundert Euro in meiner Kneipe auf den Kopp hauen, Busso. Aber jetzt bleibst du gefälligst nüchtern!«
Busso knurrte ihn ärgerlich an, aber als Mamma Carlotta in Toves Kerbe schlug und mit dem Entzug von Antipasti drohte, gab er sich geschlagen. »Hoffentlich geht das bald los«, brummte er. »Sonst bin ich total ausgenüchtert. Und dann falle ich immer über meine eigenen FüÃe.«
Mamma Carlotta musste prompt die Geschichte von dem Obdachlosen zum Besten geben, der jeden Winter in ihrem Dorf verbrachte und sich eines Nachts an dem Kirschlikör der Lehrerswitwe vergriffen hatte. Die war ein paar Wochen später verhaftet worden, weil sie im Verdacht stand, ihren kränkelnden Mann mit just diesem Kirschlikör vergiftet zu haben ⦠In diesem Augenblick entdeckte Carlotta ihre Enkeltochter, die gerade durch die Absperrung gelassen wurde. So musste sie leider mit der Pointe schon rausrücken, als die Spannung noch längst nicht auf dem Höhepunkt angekommen war, konnte nur ganz kurz die unappetitlichen Details erwähnen und musste rasch das Happy End verkünden: »Der gute Mann hat danach nie wieder Alkohol angerührt! So froh war er, dass er den Kirschlikör überlebt hatte.«
Schon wandte Mamma Carlotta sich um und lief Carolin entgegen. Spontan entschloss sie sich zu der Form der Aussöhnung, die sie bei ihrem Dino häufig mit Erfolg angewandt hatte. Einfach so tun, als wenn nichts gewesen wäre! Immer wieder hatte sie damit den Beweis erbracht, dass ein Friede auch durch Ãberrumpelung zu schlieÃen war.
Alles sah danach aus, als gelänge es auch hier. Carolin war von einer derartigen Kraftlosigkeit, dass sie sich nicht einmal gegen die Umarmung ihrer GroÃmutter wehrte und sich auch nicht beschwerte, als sie mit Kosenamen bedacht wurde, die sie schon lange nicht mehr altersgemäà fand. Dass sie kurz darauf in Tränen ausbrach, entsprach allerdings nicht den Erfahrungen, die Mamma Carlotta mit ihrem Ehemann gemacht hatte. Und die kurze Hoffnung, es handle sich um Tränen der Rührung, musste sie schnell begraben.
»Was ist los, Carolina?«, fragte sie erschrocken. »Ist was
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