Inselzirkus
wissen. Muss ja eine dubiose Geschichte sein.«
»Dubios?«, fragte Erik vorsichtig. »Was meinen Sie damit?«
»Das frage ich Sie! Angeblich war er schwul und ist einem Strichjungen zum Opfer gefallen. So ähnlich wie im Fall Mooshammer!«
Diese These konnte Erik immerhin zurückweisen. »Wie kommen Sie darauf, dass die Staatsanwältin Herrn Eidam einen Gefallen tun will?«, fragte er dann.
»Sie wissen es noch nicht? Dann schauen Sie sich mal die neue Ausgabe der Blitz an! Die Berichterstattung vom Presseball!«
Mehr wollte er anscheinend nicht preisgeben, was Erik für eine kleinliche Rache hielt. Aber natürlich lieà sein Stolz es nicht zu, weiter in ihn zu dringen. Stattdessen fragte er: »Wie viel wissen Sie eigentlich über Max Triebels Gewohnheiten? Wie transportierte er sein Laptop und seine Kamera, wenn er unterwegs war?«
»In den dazugehörigen Taschen natürlich«, kam es prompt zurück.
»Immer?«
»Da war er sehr pingelig. Ich habe ihn niemals mit dem Laptop unter dem Arm oder mit der Kamera um den Hals gesehen, wenn er loszog.«
Noch bevor Erik am Polizeirevier Westerland angekommen war, hatte er das Gespräch beendet. Sowohl die Laptop- als auch die Kameratasche waren verschwunden. Vielleicht hatte Max Triebel die Kameratasche dabeigehabt, als er seinem Mörder entgegengetreten war, und nachdem er ins Lister Hafenbecken gefallen war, hatte der Mörder nach der Kameratasche gegriffen und war damit geflüchtet, ohne einen Fingerabdruck auf der Kamera zu hinterlassen. Und als der Täter noch in derselben Nacht das Laptop aus Triebels Apartment geholt hatte, hatte dieses wiederum in der Tasche gesteckt. Später dann, als er die Festplatte und sämtliche Fotos gelöscht hatte, war er überlegter zu Werke gegangen und hatte sich Handschuhe angezogen.
Erik stöhnte auf. Er musste also damit rechnen, dass ihm die Fingerabdrücke auf dem Laptop und der Kamera nicht weiterhelfen würden. Kurz schoss ihm das Bild von Bruce Markreiter durch den Kopf, der sich am Fuà der Dünen dünne Lederhandschuhe abgezogen hatte. Aber genauso schnell verbannte er dieses Bild wieder. Markreiter kam als Täter nicht infrage! So lieb es ihm auch gewesen wäre!
Als er auf dem Hof des Polizeireviers geparkt hatte, ging er nicht in sein Büro, sondern zunächst zum Bahnhof auf der anderen Seite des Kirchenwegs. Am Zeitschriftenkiosk erstand er eine Blitz. Während er an der FuÃgängerampel wartete, blätterte er sich zu den Klatschspalten durch, in denen unter anderem über den Presseball berichtet wurde. Iris Berben hatte ein Kleid von Gucci getragen, irgendein Moderator, dessen Namen Erik noch nie gehört hatte, war mit seiner neuen Freundin erschienen, und Heidi Klum war mal wieder die Schönste des Abends gewesen. Dann erst fiel ihm das Foto auf. Es zeigte ein tanzendes Paar, das strahlend in die Kamera lächelte: »TV-Produzent Martin Eidam mit seiner neuen Liebe, der Staatsanwältin Dr. Tilla Speck!«
Der Hochkamp war wegen der Dreharbeiten gesperrt, Passanten und Autofahrer mussten über die WesterstraÃe und das Horsatal ausweichen. Mit der Stille war es seitdem vorbei. Dennoch gab es unter den Anwohnern nur zufriedene Gesichter. Wer vom Fenster aus die Arbeit überblicken konnte, machte es sich dort so bequem wie möglich, denn dass alles, was geschah, sehr lange dauern würde, wusste auf Sylt inzwischen jedes Kind.
Ein Aufnahmewagen stand an der Einmündung zur WesterstaÃe, ein quer gestellter Lieferwagen sorgte dafür, dass niemand versehentlich aus der DünenstraÃe vor die Kamera stolperte. Viele Menschen mit wichtigen Gesichtern hielten sich zwischen diesen Absperrungen auf, und Mamma Carlotta genoss es, zu ihnen zu gehören. Sie versuchte sich sogar im Aufsetzen einer ebenso bedeutungsvollen Miene, wie der Aufnahmeleiter, der Regisseur und der Kameramann sie trugen, aber das wurde ihr schon bald zu anstrengend. Viel zu spannend war alles, was sie erlebte, um darauf mit gelangweilter Ãberheblichkeit zu reagieren.
»Wo ist Bruce?«, rief die Maskenbildnerin.
»Der wird heute gedoubelt«, gab Tanja Möck zurück. »Schon vergessen? Kümmer dich um Luca! Beim letzten Stunt haben seine Haare unter der Mütze hervorgesehen. Bruceâ Haare sind kürzer, vergiss das nicht!«
Tanja saà auf einem zierlichen Klappstuhl, der unter ihrem
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