Inshallah - Worte im Sand - Roman
sehr schlechter Mensch, sagt sie.« Shiaraqa klang unsicher. Captain Mindy schrie noch lauter und reckte eine Faust. Shiaraqas Augen weiteten sich. »Ein sehr, sehr schlechter Mensch.«
Als sie schließlich an Tahir vorbeiging, spuckte sie ihm vor die Füße. Corporal Andrews behielt ihn mit vorgehaltener Waffe im Blick. Captain Mindy lief zu mir und hockte sich neben mich. Ich wehrte mich nicht, als mich fest in die Arme nahm. Nachdem sie mich losgelassen hatte, blickte ich sie kurz an, dann stieg ich in das Auto.
Najib weinte während der gesamten Rückfahrt.
Der Monat nach Zeynabs Tod war lang und qualvoll. Hajji Abdullahs Familie erreichte Baba per Satellitentelefon und er kehrte noch am Abend des Tages heim, an dem Zeynab gestorben war. Er schien sich genauso leer und ausgelaugt zu fühlen wie ich. Ich sah ihn nie weinen, nicht einmal bei der Beerdigung, aber er schloss sich tagelang in seinem Zimmer ein. Manchmal brachte ich ihm einen Happen und ab und zu versuchten Malehkah oder Najib, ihn zum Essen zu bewegen, aber er lehnte fast alles ab. Als er wieder zum Vorschein kam, sprach er kein Wort, sondern fuhr sofort nach Nimruz, um beim Bau der Klinik zu helfen. Danach setzte er die Schweißarbeiten in der Basis in Farah fort. Man hatte ihm sogar einen Auftrag bei der Wiederherstellung der alten russischen Luftwaffenbasis nördlich von Shindand in Aussicht gestellt, die von den Amerikanern genutzt wurde. Baba war ein viel beschäftigter Mann.
Malehkahs Baby war endlich da, aber wir feierten die Geburt nicht, wie es Brauch gewesen wäre. Es war ein Mädchen und wir nannten es Safia. Nachts schrie Safia manchmal. Ich fragte mich, ob auch sie um Zeynab weinte. Malehkah half ein paar Tage nach ihrer Geburt schon wieder mehr im Haushalt mit.
»Kannst du nach dem Abstauben noch den Reis auslesen,Zulaikha?« Malehkah stand mit dem Baby im Arm in der Tür des Lagerraums. Sie kommandierte mich nicht mehr herum, sondern bat mich, wenn es etwas zu tun gab.
»Ich habe den Reis schon ausgelesen, Mada.«
»Aha. Aber du musst noch die Hühner füttern.«
»Das habe ich auch schon erledigt.«
»Bale.« Sie ging davon.
So verliefen unsere Gespräche in jenem Monat. Bis auf das gelegentlich schreiende Baby war es still im Haus. Ich stürzte mich in die Arbeit, aber sobald sie getan war, stahl ich mich davon, um Schreiben zu üben. Vielleicht arbeitete ich so viel, weil es mich ablenkte. Vielleicht erledigte ich all die Arbeiten im Haus freiwillig, weil ich dabei an nichts Bestimmtes denken musste. Außerdem wollte ich nicht mehr von Malehkah angeschrien werden. Wenn ich die zu erledigenden Dinge tat, bevor sie mich darum bat, ließ sie mich meist in Ruhe.
Ich befand mich jetzt in jenem Krieg, den Afghanistan nie gewinnen würde – im Krieg gegen Sand und Staub. Obwohl die Winde der Hundertzwanzig Tage abgeflaut waren, verteilte sich sandiger, knirschender Staub überall im Haus. Also staubte ich immer wieder alles ab, bis ich schließlich das Bedürfnis hatte, vor die Tür zu gehen.
Ich wischte Schweiß von meiner Oberlippe, dann schüttelte ich den Kopf. Nach meiner Operation hätte eigentlich alles gut sein müssen: Zeynab sollte glücklich verheiratet sein. Ich würde Tahirs gut aussehenden Bruder heiraten. Wir würden unsere Kinder gemeinsam großziehen. Aber nichts war so, wie wir es uns erhofft hatten.
Vielleicht sah ich normal aus. Vielleicht sogar ein bisschenhübsch. Aber tat das etwas zur Sache? Welchen Vorteil hatte Zeynab von ihrer Schönheit gehabt? Mir kamen die Tränen und ich biss mir auf die Unterlippe. Mit meinem neuen Mund war mir das jetzt möglich. Ich tat es oft.
Ich holte das Notizbuch aus meiner Truhe und steckte es in die Tasche meines Kleids. Malehkah schälte in der Küche summend Kartoffeln, während Safia in einem Korb schlief.
»Brauchst du etwas vom Basar?«, fragte ich.
»Zwiebeln.« Malahkah zog ein Bündel Geldscheine aus der Tasche und zählte fünfzig Afghanis ab.
»Bringst du uns Süßigkeiten mit?« Khalid schlüpfte aus seiner Burg aus Benzintonnen, die vorn auf dem Hof in einer Ecke standen. Habib war bei ihm. Ich nickte ihnen zu, als ich den Hof verließ.
Draußen bellte ein Hund in der Ferne und ein dürres Blatt wirbelte über die holperige Straße. Das Wasser im Fluss war kalt. Ich würde bald Schuhe tragen müssen, wenn ich ihn durchwatete.
Ich kaufte drei Zwiebeln auf dem Basar, ohne um den Preis zu feilschen. Ich würde den Jungen ein paar der Süßigkeiten geben,
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