Inshallah - Worte im Sand - Roman
habe ich dir gesagt, Najibullah? Wenn man nicht auf die Arbeiter aufpasst, arbeiten sie nicht schnell genug oder schlafen sogar während der Arbeit. Aber wenn man ein Auge auf sie hat und gemeinsam mit ihnen schuftet, achten sie einen und strengen sich umso mehr an. Und dann«, er zeigte auf Najib, »läuft die Sache.«
Baba war nicht unbedingt glücklich, aber so gut gelaunt wie seit Langem nicht mehr. Eine günstige Gelegenheit, um ihn wegen Herat zu fragen. Aber da erständig über Geld und Aufträge sprach, bekam ich kein Wort dazwischen. Meine Hände waren feucht und zitterten. Schließlich unterbrach ich ihn. »Baba-jan, ich brauche …«
»Ja, ich weiß.« Er lächelte mich an. Eine so fröhliche Reaktion hatte ich nicht erwartet. »Ich weiß. Du brauchst etwas zum Anziehen. Ein paar neue Kleider. Und Schuhe.« Er neigte den Kopf zur Seite und sah mich aus zusammengekniffenen Augen an. »Vielleicht sogar einen Tschadri.«
Ich war erstaunt. Baba hatte offenbar etwas ganz anderes im Sinn. Vielleicht sollte ich noch warten. Statt etwas zu sagen, trank ich einen Schluck Wasser. Oder hatte Meena doch recht? Hatte ich vielleicht lange genug gewartet?
»Baba-jan«, versuchte ich es erneut. Ich war so aufgeregt, dass mir übel wurde. Vielleicht sollte ich es lassen. Vielleicht reichte Meenas Unterricht ja aus.
»Was denn, Zulaikha?«, fragte Baba.
Ich senkte den Blick. »Ach, nichts.«
»Na, komm, Zulaikha. Was quält dich? Dein Baba renkt alles wieder ein. Das weißt du doch.«
Als ich weitersprach, war ich von meinem Wortschwall selbst überrascht. »Ich habe eine Frau besucht, eine Muallem, die früher in Herat unterrichtet hat und mit Mada-jan befreundet war. Sie hat mir Lesen und Schreiben beigebracht. Eine ihrer Freundinnen lehrt an der Universität von Herat. Sie würde mich bei sich aufnehmen und mich unterrichten … Falls du es erlaubst … Und wenn ich genug gelernt habe, könnte ich mich an der Universität bewerben.«
Nun war alles heraus. Im Raum herrschte Totenstille.Ich sah verstohlen zu Baba. Ob er mich gehört hatte? Er hatte sein Stück Huhn in die Reisschüssel sinken lassen.
Ich sprach sofort weiter, um seine Aufmerksamkeit nicht zu verlieren. »Es wäre umsonst. Meena hat gesagt …«
Baba starrte mich an. »Meena?« Er hauchte den Namen fast. »Meena.« Kannte er sie von früher? Vielleicht erinnerte er sich ja an sie.
Ich konnte jetzt nicht mehr aufhören. »Ich habe schon viel gelernt und ich …«
»Du gehst nicht nach Herat!« Baba sprach mit vollem Mund. Er sah kurz ins Leere. Dann schüttelte er den Kopf, zog ein grimmiges Gesicht und zeigte auf mich. »Und wenn mir zu Ohren kommt, dass du diese Meena noch einmal besuchst, verpasse ich dir höchstpersönlich eine Tracht Prügel.«
Ich biss auf die Unterlippe und zerknüllte das Tuch in meinem Schoß. Alle schwiegen.
Mein Vater lachte leise. »Warum solltest du überhaupt zur Schule gehen? Du lernst ja schon alles, was du wissen musst. Und zwar von Malehkah.« Er drehte sich grinsend zu seiner Frau um. »Richtig?« Aber sie erwiderte sein Lächeln nicht und sah auch nicht wie üblich weg. Als er merkte, dass sie nicht lächelte, hörte er auf zu lachen. »Warum vergeudest du meine Zeit mit so dummen Ideen?«
So lautete seine Antwort also. Es war aus. Ich hätte es wissen müssen.
Alle aßen schweigend weiter. Ich kaute auf ein paar Reiskörnern herum.
Was hätte meine Mada-jan getan? Die Sache war ihrso wichtig gewesen, dass sie ihre Studien nie aufgegeben hatte, obwohl die Taliban alle Bücher verboten hatten. Und ich hatte ihr versprechen müssen, so viel wie möglich zu lernen. Das war ich ihr, Meena und Zeynab schuldig. »Meena findet das nicht dumm. Sie hat schon eine Schule für mich gefunden. Ich könnte bei einer ehrbaren Afghanin wohnen. Sie hat gesagt, Mada-jan habe …«
»Ich habe Nein gesagt!« Mein Vater sprang auf. »Siehst du?«, rief er und zeigte auf Najib. »Merk dir das, Najibullah. So etwas passiert, wenn du zu nett zu den Frauen bist. Die Amerikaner lassen sich von ihren Weibern herumbefehlen, als würde ihnen alles gehören. Da bietet man seiner Tochter hübsche Kleider an und was passiert?« Er wandte sich an mich. »Sie spuckt dir ins Gesicht und achtet dich nicht einmal in deinem eigenen Haus!«
Die kleine Safia wurde von dem Geschrei aus dem Schlaf gerissen. Khalid zog ein überraschtes Gesicht. Er griff nach der Hand des weinenden Habibs und führte ihn hinaus.
Ich stand auf. »Bitte,
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