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Inshallah - Worte im Sand - Roman

Inshallah - Worte im Sand - Roman

Titel: Inshallah - Worte im Sand - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Dunkel kaum erhellen, zog aber unzählige Insekten an.
    Ich sprach den erstbesten Mann an, dem ich begegnete. Er stand ganz am Ende des schmutzigen Flurs und las in irgendwelchen Papieren. »Mein Schwester Zeynab hat Verbrennungen. Wo kann ich sie finden?«
    Der Mann sah stirnrunzelnd auf. »Bist du eine Besucherin? Hast du dich bei der Krankenhausverwaltung angemeldet?«
    »Wie bitte?« Unfassbar, dass der Mann in diesem dreckigen, heruntergekommenen Krankenhaus auf irgendwelchen Formalitäten bestand. »Ich will zu meiner Schwester!«
    Der Mann seufzte, schüttelte den Kopf und winkte mir dann, ihm zu folgen. Er führte mich um eine Ecke in einen anderen Flur. Dort gab es eine Außentür, die nicht einmal ein Fliegengitter hatte. Im nächsten dunklen Raum schlug mir Verwesungsgestank entgegen. Der Mann zog an einer Schnur und das Licht ging an. Neben einer großen, leeren Waschwanne lagen blutige, dreckverklumpte Decken, an denen sich Fliegen mästeten.
    Das sollte ein Krankenhaus sein? Hier sollte meine Schwester gesund werden?
    Der Mann führte mich durch den Wäscheraum, blieb vor einer offenen Tür stehen und zeigte auf ein Zimmer, das von einer schwachen, in einer Ecke stehenden Lampe ein wenig erhellt wurde. Ich trat ein.
    Meine Schwester lag ganz hinten im einzigen Bett. Sie sah gar nicht so schlimm aus. Sie trug ihr hübsches rosa Kleid mit den lila Blumen. Ich ging langsam zu ihr.
    »Oh, Allah! Sei uns gnädig«, hauchte ich. »Zeynab.«
    Sie trug kein Kleid. Man hatte ihr nur ein fleckiges, weißes Tuch über die Beine gelegt.
    Es waren keine lila und rosa Blumen und sie waren auch nicht schön.
    Es war ihre verbrannte und brandblasige Haut.
    »Oh.« Ich starrte sie an und trat von einem Fuß auf den anderen. »Oh, Zeynab. Oh.«
    Meine Schwester war von der Hüfte aufwärts nackt. Sie stöhnte leise. Sie war überall verbrannt. Am ganzen Körper. Die oberste Hautschicht hatte sich zusammengezogen und Blasen gebildet, die zu einem schwärzlichen Lila aufgeplatzt waren. Die Haut darunter war hellrosa. Auf ihrem Bauch war ein Hautfetzen zu Gelb verbrannt und hatte sich aufgerollt. Ihre Brüste warengrellrosa, die Brustwarzen schwarz wie Kohle. Ihr Hals war eine blutende, nässende, schwarze Wunde.
    Aber ihr Gesicht war das Schrecklichste. Mein Schluchzen wäre fast in einen Schrei umgeschlagen. Ihre herrlich langen, dunklen Haare sahen aus, als wären sie mit der verbrannten Kopfhaut verschmolzen. Ihre Nase war genau genommen nicht mehr vorhanden. Ihre Augenlider hatten keine Wimpern mehr. Die Augenbrauen fehlten.
    Und ihre einst makellosen Lippen – sie waren rissig und verzerrt. Ihre Oberlippe war in der Mitte gespalten und man konnte ihre Zähne sehen.
    Ich hatte mein ganzes Leben darum gebetet, wie meine Schwester zu sein. Ein hübsches Gesicht und einen normalen Mund zu haben. Aber nie, keine Sekunde, hatte ich mir gewünscht, sie möge so aussehen wie ich.
    »Zeynab«, klagte ich. »Zeynab.« War sie tot? Ich versuchte, mein Schluchzen zu unterdrücken und hielt ein Ohr über ihren Mund. Ein schrecklicher, süßsaurer Geruch wie der schlimmste Gestank im Fleischerviertel an einem heißen Tag schlug mir entgegen. Ich musste würgen und legte eine Hand vor meinen Mund. Aber sie atmete. Sie lebte noch.
    Ich sank neben dem Bett meiner Schwester auf einen Stuhl. Mir war schwindelig. »Zeynab!«, rief ich. »Zeynab! Zeynab!«
    Ich wusste nicht, wieviel Zeit vergangen war, als ich plötzlich eine Hand auf meiner Schulter spürte. Ich erschrak, sprang auf und fuhr herum.
    »Zulaikha.« Captain Mindy und Shiaraqa standen vor mir. In der Tür zum Flur stand Corporal Andrews. Ernickte mir zu. Er hatte immer so fröhlich gelächelt und es trieb mir Tränen in die Augen, dass er jetzt so ernst wirkte.
    »Warum bist du hier?«, fragte Shiaraqa.
    Ich wischte mir über die Augen. »Wegen meiner Schwester.«
    Shiaraqa übersetzte für Captain Mindy, die sich erschrocken eine Hand vor den Mund schlug. Ich fragte mich kurz, was der Corporal und Shiaraqa in der Frauenstation zu suchen hatten, dann musste ich wieder schluchzen. Diese Amerikaner mit ihren großen Waffen konnten sich alles erlauben. Aber das war jetzt egal. Sie sahen meine Schwester nicht böse an. Warum sollten sie auch? Warum sollte irgendjemand meine Schwester noch einmal so anschauen?
    Ich holte tief Luft und versuchte, mich zusammenzureißen, als mir wieder Gestank ins Gesicht schlug.
    Zeynab hatte die Augen geöffnet. Sie schwieg.
    »Geht es dir gut,

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