Inside Aldi & Co.
tippt mit den Fingern nervös auf der Kasse herum. Vielleicht, um witzig zu sein, vielleicht, damit auch der Letzte auf der heimischen Couch versteht, wo sich die grandiose Show gerade abspielt. Es ist höchst ungewöhnlich, dass in einem Aldi-Markt gedreht werden darf. Normalerweise verweigert der Discounter sämtlichen Kamerateams eine solche Genehmigung, die von höchster Stelle in Mülheim ausgesprochen werden muss. Eine seltene Ausnahme also.
Ein Rezensent der Internetplattform
Ciao
sprach in einer recht spontan wirkenden Bewertung kurz nach der Sendung von einer «Werbeveranstaltung». Er wolle nicht jammern, sondern vielmehr feststellen, dass «Wetten, dass..?» perfekt für Werbung eingesetzt werde. «Dass er Filialleiter eines Aldi-Marktes ist, kann man unschwer schon an den Kassen und Regalen erkennen. Für alle, die etwas länger brauchen, werden dann noch eindeutige Kaffeeprodukte und Hygieneartikel herausgesucht, die es eben nur bei Aldi gibt … grins!», schrieb er und erklärte die Wette zu einer «wahnsinnig gut getarnten Werbeveranstaltung».
Die Vorteile von Product-Placement liegen klar auf der Hand: Der Zuschauer nimmt die weniger aufdringliche Werbung eher unbewusst wahr und zappt nicht weg. Logisch also, dass es für große Unternehmen interessant ist, eine Spiel-und-Spaß-Show wie «Wetten, dass..?» als Plattform zu nutzen, strenge Reglements hin oder her. Denn nach 20 Uhr darf in den öffentlich-rechtlichen Sendern eigentlich keine Werbung mehr gezeigt werden.
Die
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-Zeitung enthüllte 2011 Sponsoring-Verträge zwischen der Brauerei Warsteiner und «Dolce Media», der von Christoph Gottschalk, dem Bruder des berühmten Moderators, geführten Vermarktungsfirma mit Geschäftszweck «Schaffung und Vermittlung von Sonderwerbeformen». Laut
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veranschlagte die Brauerei alleine 2004 knapp 1 , 2 Millionen Euro für die beiläufige Einblendung ihres Logos auf Bierständen bei Außenwetten. Anfang 2013 berichtete der
Spiegel
, dass offenbar auch die Autohersteller – Partner der Show: Audi und Daimler-Benz – jahrelang über trickreiche Verträge mit «Dolce Media» für die möglichst attraktive Platzierung von Fahrzeugen bezahlten. Die Autos wurden als Preise ausgelobt, regelmäßig gut wahrnehmbar eingeblendet und vom Moderator fast schon bejubelt. Das Problem: Laut Werberichtlinien des ZDF , immerhin mit 1 , 8 Milliarden Euro jährlich gebührenfinanziert, soll bei Gewinnspielen «jeder Werbeeffekt vermieden» werden. Dennoch scheint die «Dolce Media» die Möglichkeit offeriert zu haben, Produkte in Wetten zu platzieren oder die Moderation zu beeinflussen, was allerdings von der Vermarktungsfirma bestritten wird. Der Marketingchef eines großen Markenartiklers hatte laut
Spiegel
( 6 / 2013 ) mit ihr Gespräche über «Wetten mit Artikeln in der Sendung», aber auch über ein «Placement in der Sendung» geführt und im Frühjahr 2008 in einer PowerPoint-Präsentation für seinen Vorstand zusammengefasst.
Die Wette in Sendung 132 am 15 . Dezember 2001 ist jedenfalls im Effekt eine gute und günstige Werbung für Aldi: Produkt für Produkt wird lange und deutlich sichtbar in die Kamera gehalten. Die 14 Millionen Zuschauer sehen einen kompetenten, gutgelaunten Filialleiter in einer neuen Filiale, der seine günstigen Artikel genau kennt und dessen Antworten von einer modernen Scannerkasse bestätigt werden.
In diesem Zusammenhang ist erwähnenswert, dass erst gut zwei Monate vor der Sendung, nämlich Anfang Oktober 2001 , die Aldi-Süd-weite Einführung der Scannerkassen abgeschlossen worden war. Und am 1 . Januar 2002 wurde das Euro-Bargeld eingeführt. Der Marktleiter hätte die D-Mark-Preise, die er im Kopf hatte, vergessen können. Denn entgegen seiner Aussage vor laufender Kamera, er sei nur für das Organisatorische zuständig, müssen Aldi-Filialleiter aufgrund der dünnen Personaldecke regelmäßig an der Kasse arbeiten. Ein Zufall, dass die Wette also zum für Aldi idealen Zeitpunkt stattfand? Der Discounter hatte gerade 7000 Kassenarbeitsplätze modernisiert und mehr als 100 Millionen Mark in ein neues Kassensystem investiert, das seinerzeit als das beste und modernste auf dem Markt gefeiert wurde. In einem Bericht darüber zitierte die
Lebensmittelzeitung
, das wichtigste Branchenblatt im Einzelhandel, einen Insider mit den Worten: «Der Mercedes unter den Kassentischen.» Die Aldi-Manager waren stolz. Und das zeigten sie entgegen der sonst üblichen
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