Inside Aldi & Co.
Zurückhaltung auch.
Partygurken, Duschbad und Pflanzenmargarine hat Langnaese schon zielsicher identifiziert, und seine Preisangaben sind von der gut in Szene gesetzten Scannerkasse bestätigt worden. Nun wird es «gemein», wie jedenfalls Langnaese erklärt. Anastasia Zampounidis reicht ihm eine Packung Kaffee. «Fies, ne? Wird noch schlimmer!», freut sie sich. Doch der Aldi-Mann erkennt die «Milde Bohne» von der Eigenmarke für damals 5 , 59 DM .
«Einmal für euch», sagt Anastasia und hält eine zweite Packung Kaffee in die Kamera. «Jetzt wird’s richtig schwierig. Tilo, du schaffst es!»
Motiviert befummelt der Marktleiter die zweite Sorte Kaffee. Während er die Kanten der Packung berührt, muss er lachen. Anastasia lacht mit. Er identifiziert ihn als «Der Feine, 5 , 98 ». «Es ist der Wahnsinn», freut sich Anastasia. Wette gewonnen!
Im Lager der Aldi-Filiale blickten sich die Verkäuferinnen derweil vielsagend an, sagten aber nichts. Führungskräfte des Discounters und Mitarbeiter von «Wetten, dass..?» waren ebenfalls anwesend. Weil Anastasia den kompletten Sozialbereich der Filiale für sich alleine benötigte, waren alle anderen ins Lager verbannt worden. Dort hatten sie sich auf Bierbänke gedrängt und die Sendung auf einem eigens aufgebauten Fernseher verfolgt.
Unter ihnen war Heike L., die zusammen mit ihren Kolleginnen bei dieser Wette nachgeholfen hat, wie sie heute sagt. «Unser Filialleiter war sich bei allen Produkten ziemlich sicher. Nur bei einem gab es ein Problem: dem Kaffee. Wir hatten verschiedene Kaffeepulver im Sortiment, jedoch waren sie alle in Größe, Form und Gewicht identisch und auch noch gleich verpackt. Es gab absolut keine Möglichkeit, die Sorten auseinanderzuhalten. Wir mussten die Sorten markieren. Eine zum Beispiel durch einen Knick in der oberen Kante. Dazu nahmen wir die obersten vier oder fünf Lagen der Palette ab und schlugen sie gegen die Regalkante. Unser Bezirksleiter war ebenfalls vor Ort und überwachte die Vorbereitungen. Wir wussten alle von dem ‹Trick›.»
Selbst Thomas Gottschalk scheint verblüfft. Ausgerechnet beim Kaffee fragt er noch einmal nach: «Tilo, jetzt würde mich interessieren, woran hast du jetzt den ‹Feinen› von der ‹Milden Bohne› unterschieden?»
«Das sind unterschiedliche Merkmale, die ziemlich klein sind», behauptet der Aldi-Mann. «Bei dem einen zum Beispiel ist hier oben die Deckellasche wohl nicht richtig verklebt. Das war bei der Produktion wohl irgendwie nicht richtig, und hier fest verklebt, das ist schon mal ein Merkmal für mich. Ein anderes Merkmal, das sind die Riffelungen hier an der Seite, die sind also so minimal, Kaffee war recht gemein, muss ich sagen, ja.»
«Allerdings», bestätigte Gottschalk.
Wie bitte? Deckellasche nicht richtig verklebt? In der Produktion? Aldi, dem Selbstbild nach König der Qualitätskontrolle, verkauft also Artikel mit Produktionsfehlern? Fakt ist: Als Langnaese die zweite Packung Kaffee wieder an die Moderatorin der Außenwette zurückgibt, ist ein Knick in der Kante kurz, aber deutlich sichtbar. Dieser winzige Moment dürfte kaum einem Zuschauer aufgefallen sein, bis auf den Eingeweihten. Ein Insider, der seinerzeit bei Aldi Verantwortung trug, erklärt: «Die Kaffeepackungen ließen sich äußerlich nicht unterscheiden. Es ist einfach keine Artikel- oder Seriennummer oder sonst ein Unterschied ertastbar.» Auch ein ehemaliger Azubi, der heute in derselben Regionalgesellschaft wie Tilo Langnaese als stellvertretender Filialleiter tätig ist, erinnert sich: «Gleich in den ersten Schulungen in der Zentrale Aichtal wurde uns Auszubildenden das Video vorgeführt. Es war als Ansporn gedacht. Aber hinter vorgehaltener Hand wurde bei uns getuschelt. Im Grunde wusste jeder, dass die Sendung manipuliert war. Die Azubine, die in der Filiale von Langnaese arbeitete, musste sogar während der Vorführung lachen. Hinterher klärte sie uns dann über den Betrug auf.»
War diese ganze Inszenierung nur die Idee eines nach Selbstdarstellung drängenden Filialleiters? Dass die Trickserei bei Aldi auch in oberen Rängen bekannt war, darf angenommen werden. Aber wussten die Macher von «Wetten, dass..?» etwas? Im Lichte der späteren Enthüllungen von
Bild
und
Spiegel
drängt sich die alte Kriminalistenfrage auf: Cui bono? – Wem nützt es?
Am Ende der Wette, bevor Anastasia dem erfolgreichen Wettkandidaten noch einmal die Hand schüttelte und lächelnd auf den Kaffee tippte, sagte
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