Inside Aldi & Co.
geprüft. Das Gespräch sei «korrekt und in einer sachlichen Atmosphäre» verlaufen. Bei dem Konto habe es sich lediglich um das ebay-Konto des Azubis gehandelt. «Das ist richtig», ereifert sich Mehmet H. Er hätte zusätzlich noch 5000 Euro an Kaufland für die Ermittlungskosten bezahlen sollen. In einer Gerichtsverhandlung Ende März 2013 obsiegte der ehemalige Azubi jedoch. Er konnte zwar das Zustandekommen seiner Eigenkündigung nicht beweisen und sie blieb somit bestehen, aber Kaufland zog alle Vorwürfe gegen ihn zurück und verzichtete auf die Geldforderung. Seine Ausbildungsstelle ist Mehmet H. dennoch los.
Ende Mai 2013 deckte das Politmagazin «Frontal 21 » den Einsatz versteckter Kameras in Penny-Filialen auf. Den Reportern gelang es sogar, den Detektiv beim Abbau der Überwachungsanlage zu filmen. Beim zu Rewe gehörenden Discounter sprach man von Einzelfällen, natürlich.
Wenn Wolfgang Paul solche Geschichten hört, lächelt er wieder müde. So sei es in der ganzen Branche, zwischen den Händlern gebe es kaum Unterschiede, sagt der erfahrene Ermittler. Er selbst war hauptsächlich für Aldi tätig, aber nicht nur, und auch von Kollegen weiß er, dass alle ähnlich arbeiten. Auch Paul sollte bei Aldi alle Auffälligkeiten hinsichtlich der Mitarbeiter melden: wer zu langsam arbeitete, wer ein Verhältnis mit wem hatte, wo finanzielle Probleme bestanden, um nur einige Beispiele zu nennen. Schriftliche Berichte fertigte er allerdings darüber nie. Alle wichtigen Informationen wurden und werden bei Aldi, eben damit sie schwieriger belegbar sind, ausschließlich mündlich weitergegeben. Ob und welche Verdachtsmomente im Einzelnen bestanden, war Paul oft nicht im Detail bekannt: Er hatte den Auftrag, zu spitzeln und Informationen zu Tage zu fördern. Die Bewertung der Ergebnisse überließ er seinen Auftraggebern.
Bei Aldi Süd war der Einsatz von versteckten Miniaturkameras eine eingeübte Vorgehensweise. In seinem Buch «Der Schatten» beschreibt Paul unter der Überschrift «Im falschen Film» einen exemplarischen Fall:
«Ungewöhnliche Situationen erfordern ungewöhnliche Maßnahmen. Es dauert allerdings ein paar Tage, bis Billi (gemeint ist hier Aldi, Red.) grünes Licht für winzig-wunderbare Funkkameras gibt, die versteckt montiert werden – zusätzlich zu den zehn bereits fest installierten Kameras. Die Aktion ist streng geheim. (…)
Über jeder Kasse hebe ich die abgehängten Deckenplatten an und bohre winzige Löcher. In jede Deckenplatte genau eines, sodass die Kamera auf den Mitarbeiter und den Scanner der Kasse gerichtet ist. Damit ihnen der Saft nie ausgeht, werden die Stromleitungen der einzelnen Kameras in der Zwischendecke bis ins Lager verlegt und ans Netz angeschlossen. Die Kameras werden mit einem WLAN -Sender verbunden, der die Videosignale per Funk überträgt. Mit einem entsprechenden Empfängergerät kann ich die Videos in einigen Metern Entfernung anschauen. (…) Ich installiere drei von ihnen über den Kassen und zwei in den Nebenräumen sowie im Büro. (…) Im Büro bringen wir eine Kamera in der Ecke des Raumes an, sodass wir die Kassiererinnen bei Befüllung und Abrechnung der Kassen beobachten können. Eine weitere bringen wir direkt über dem Schreibtisch des Büros an.»
Egal ob über den Kassen, in den Nebenräumen oder im Büro – Paul installierte seine kleinen Spionagegeräte dort, wo es seine Auftraggeber wünschten. In mehreren Filialen überwachte er sogar die Lagerräumlichkeiten, zum Beispiel im Allgäu oder im Großraum Zürich. Wenn er Zweifel an der Legalität äußerte, sagten ihm die Aldi-Manager, die Vorgehensweise sei von oben angeordnet und sei mit den Rechtsanwälten besprochen. Für einen Eklat sorgte im Januar 2013 Pauls Aussage, er habe in einer Filiale versteckte Kameras über den Spinden installieren sollen. Aber diesen Auftrag verweigerte er. In der Folge erhielt Paul keine Überwachungsaufträge mehr in diesem Bereich – ein klarer Warnschuss für den Ermittler.
Über einen Zeitraum von sechs Wochen hinweg überwachte Paul im Jahr 2007 ein Zentrallager. Über den Rolltoren des Logistikzentrums brachte er zusammen mit zwei Mitarbeitern an einem Sonntag insgesamt acht Kameras an. Die Überwachungstruppe verlegte viele Kabel, um die Aufnahmen zu zwei auf den Kühlhäusern abgestellten Aufzeichnungsgeräten mit jeweils 400 Gigabyte Speicherkapazität zu transportieren. Die Kameras liefen jeweils rund eine Woche, am Sonntag
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