Inside Aldi & Co.
Gottschalk, sicher unbeabsichtigt, zwei Sätze, die wie eine Teilantwort auf die Frage klingen: «Deine Kunden werden bei dir jetzt besonders gerne einkaufen. Der Mann weiß wirklich, was er verkauft.»
Wettkönig ist der Aldi-Mann übrigens nicht geworden, Werbekönig schon eher.
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Mal wieder im falschen Film
Versteckte Kameras im Einsatz
«Eine Schweinerei, dumm, schlechtes Management», wetterte Dieter Brandes unmittelbar nach dem Überwachungsskandal bei Lidl Anfang 2008 im
Spiegel-online
-Interview. Dabei habe man schon gehört, dass Lidl Personal und Lieferanten unfair behandle, ganz schlimm sei das. Und bei Aldi ganz anders. Viel besser natürlich, erklärte der schon zu diesem Zeitpunkt seit über 20 Jahren aus dem Unternehmen geschiedene «Autor und Berater», der sich gerne wie eine Art Pressesprecher des Konzerns geriert. Immerhin räumt er ein, dass es in manchen Filialen Inventurprobleme gibt, aber, so sagt er: «Deswegen muss man keine Detektive holen oder Kameras aufbauen. Aus meiner Erfahrung bei Aldi weiß ich: So was wurde immer intern geklärt.»
Wenn Wolfgang Paul heute solche Aussagen hört, lächelt er nur müde. Er hat es satt. Früher hätte er sich noch aufgeregt über so viel Dreistigkeit. Aber er hat mit dem Discounter längst abgeschlossen und mit mir zusammen das Buch «Der Schatten – Im Visier des Privatdetektivs» veröffentlicht. Knapp fünfzehn Jahre lang war Wolfgang Paul als Detektiv unentwegt für Aldi Süd und Aldi Suisse tätig. Er überwachte insgesamt mehr als 300 Filialen in sechs Regionalgesellschaften. Zwischenzeitlich beschäftigte er mehrere Mitarbeiter. Paul führte die berühmt-berüchtigten Testkäufe durch, die auch als gezielte Fehlerfallen für das Kassenpersonal missbraucht wurden. Offiziell, um die Kassierer zu sensibilisieren. Inoffiziell, um die Personalakten mit Abmahnungen anzufüttern und teurere oder unbequeme Mitarbeiter leichter entfernen zu können. Der Detektiv wurde auch für Ladenüberwachungen eingesetzt, unabhängig davon, ob Kunden oder Mitarbeiter in den Fokus gerieten. Offiziell mit den fest installierten Kameras, auf die mit Schildern hingewiesen wird. Inoffiziell immer mal wieder mit versteckten Miniaturkameras, von denen nur wenige wussten und deren Einsatz er meistens als «Sonderdienstleistung» abrechnete.
Wie aktuell das Thema ist und dass sich in der Handelsbranche trotz aller Skandale und Skandälchen nur wenig geändert hat, zeigt der Bericht eines Kaufland-Azubis, der mich kurz vor Redaktionsschluss erreicht:
«Mein Name ist Mehmet H., 21 Jahre alt. Ich befinde mich in der Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann bei Kaufland im 3 . Lehrjahr. Am 18 . Dezember 2012 habe ich selbst fristlos gekündigt. Seither kann ich nicht mehr ohne Tabletten schlafen und mache mir Sorgen um meine Zukunft. Mittlerweile arbeite ich wieder über einen Bildungsträger, praktisch Vollzeit für 300 Euro im Monat. Ich bin angespannt. Jetzt hat sich auch noch meine Freundin von mir getrennt und ich weiß nicht, was ich machen soll.
Seit dem Tag im Dezember ist alles anders.
Ich begann wie immer um 6 Uhr meine Arbeit bei Kaufland und wurde um 8 . 30 Uhr ins Büro gerufen. Dort waren ein Detektiv, der Hausleiter und ein Bereichsverkaufsleiter. Erst ging es nur um meine Ausbildung. Bislang war man immer zufrieden mit mir, und ich hatte gute Schulnoten. Deshalb sah ich keinen Grund, ein Betriebsratsmitglied dazuzuwünschen, was mir angeboten wurde. Bei dem Gespräch über die Ausbildung blieb es aber nicht lange.
Urplötzlich schwenkte das Gespräch um und mir wurden Vorwürfe gemacht. Der Detektiv hatte offenbar mein Konto überwacht und nannte Details. Er kannte bestimmte Ein- und Ausgänge. Woher hatte er diese Daten?
Die drei Männer sahen mich streng an und fragten mich nach meinen finanziellen Verhältnissen aus. Ein Kollege von mir wurde neulich wegen Diebstahls entlassen, nun sollte mir das Gleiche unterstellt werden. Sie sagten, sie hätten Videobeweise. Ich forderte diese ein. Der Detektiv ging kurz raus, als er zurückkam, konnte mir nichts vorgelegt werden. Die drei haben so lange auf mich eingeredet, mit der Polizei gedroht und mir Angst gemacht, bis ich selbst gekündigt habe. Sie diktierten mir die Kündigung, aber ich musste sie dreimal schreiben, weil ich bei den ersten beiden Malen so zitterte, dass es unleserlich war.»
In einer Stellungnahme erklärte Kaufland, man habe den Fall intensiv
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