Inside Aldi & Co.
Mitarbeiter wurde auch Wolfgang Paul über Angst und Druck geführt. Er wusste, dass er parieren muss. «Wenn Sie auspacken, machen wir Sie fertig! Sie kennen ja unsere Rechtsanwälte», sollen ihm Führungskräfte schon während seiner aktiven Zeit gedroht haben. Paul hatte tatsächlich große Angst vor Aldi. Aber am Ende hat er sich nicht einschüchtern lassen und dennoch ausgepackt. Mehrere Detektive bestätigten in der Folge seine Schilderungen. Selbst ehemalige Manager meldeten sich bei mir und berichteten, wie sie auch nach dem Lidl-Skandal noch versteckte Kameras von Detektiven montieren ließen.
Was wohl «Discounter-Kenner» Dieter Brandes, der sich bei jeder Gelegenheit für Aldi in die Bresche wirft, zu solchen Schilderungen sagen würde? Vermutlich würde er von Einzelfällen sprechen. Allerdings sollte der «Autor und Berater» vielleicht darauf achten, sich nicht die Finger zu verbrennen. Als er im Frühjahr 2008 gefragt wurde, ob es ähnliche Fälle von Mitarbeiterbespitzelung wie bei Lidl auch bei Aldi gäbe, antwortete er: «Nein. Dafür lege ich meine Hand ins Feuer.»
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Der Subventionstrick
Aldi als «Unternehmen des Güterkraftverkehrs»
Jahr für Jahr fährt Aldi gigantische Gewinne ein. Mit großer Akribie und an der Grenze zum Betrug wurden dennoch auch öffentliche Mittel abgezockt. Ein Etikettenschwindel ermöglichte es, vom Discounter für notwendig erachtete Schulungen des gesamten Personals mit staatlichen Subventionen finanzieren zu lassen. Dafür wurde aus dem Discounter von 2009 bis 2011 ein «Unternehmen des Güterkraftverkehrs», jedenfalls in den Förderanträgen. Seit 2009 stellt das Bundesamt für Güterverkehr ( BAG ) Mittel für die notleidenden Güterverkehrsunternehmen in Deutschland zur Verfügung. Sie sollen für die «Aus- und Weiterbildung und die Qualifizierung der Beschäftigten in Unternehmen des Güterverkehrs mit schweren Nutzfahrzeugen» verwendet werden.
Da die meisten Aldi-Regionalgesellschaften mehrere eigene LKW zur Belieferung ihrer Filialen besitzen, fiel der Discounter unter die Definition der Förderberechtigten und konnte von den staatlichen Geldern profitieren, indem Kosten für «allgemeine Weiterbildungsmaßnahmen» geltend gemacht wurden. Allerdings floss der überwiegende Teil der Mittel in die Schulung und Weiterbildung des Verkaufspersonals, das wenig mit dem schweren Güterverkehr zu tun haben dürfte. In meiner Zeit bei Aldi wurden mehrere solcher Veranstaltungen von der Allgemeinheit finanziert. Ich erinnere mich besonders an die Einführung des sogenannten «Aldi Management Systems», in das die bis dahin propagierten «Führungs- und Organisationsgrundsätze» umbenannt worden waren. Die PowerPoint-Folien aus Mülheim enthielten keine wesentlichen Innovationen, aber ein paar neue englische Begriffe.
In aufwendigen Schulungen wurden also alle Mitarbeiter des Unternehmens fortgebildet, darunter natürlich auch die Fahrer, wobei diese Berufsgruppe nicht einmal fünf Prozent der Belegschaft ausmacht. Die Prokuristen, die Bereichsleiter, die Kassierer und die Azubis wurden jeweils einen halben Tag lang mit Vorträgen über die Vorzüge ihres Arbeitgebers und dessen Prinzipien im Umgang mit Personal berieselt. Mitarbeiterstunden, Verpflegung und Anfahrtskosten, alles wurde bei diesen und anderen Veranstaltungen auf ein spezielles Buchhaltungskonto mit dem Hinweis BAG und der jeweiligen Schulungsnummer gebucht. Eigens verfasste die zentrale Verwaltung einen Aktenvermerk, in dem die genaue Vorgehensweise definiert war. Als ich dennoch zwei oder drei Mal den Hinweis auf Kleinbelegen vergaß, erhielt ich wütende Anrufe von Chefs. Denn immerhin konnte sich Aldi vom BAG 60 Prozent der Kosten erstatten lassen.
Gegenüber der
Süddeutschen Zeitung
, die über die «Falschfahrer von Aldi» und die «luftigen PowerPoint-Präsentationen zum neuen Aldi-Management-System» berichtete, erklärte ich am 7 . Mai 2012 , der Discounter habe viel Geld kassiert. Ich verwies auf das interne Aldi-Motto: «Wir kassieren, was geht.» Aldi bestätigte lediglich, Fördermittel beantragt zu haben, nannte jedoch keine Zahlen. Auch das Bundesamt für Güterverkehr weigerte sich zunächst, genaue Informationen offenzulegen. Ein Geheimhaltungswille von Aldi könne nicht ausgeschlossen werden, erklärte die Behörde. Wohl aus gutem Grund, denn alleine zwischen 2009 und 2011 kassierte Aldi Süd in verschiedenen Programmen des Bundesamts für
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