Inside Aldi & Co.
darauf wurden sie ausgetauscht, sodass die Mitarbeiter nichts davon bemerkten. Die Festplatten existieren heute noch, Paul gab lediglich mehrere CD s mit Verdachtsmomenten beim zuständigen Prokuristen für Logistik ab. Ein konkretes Ermittlungsergebnis gab es nicht.
Über diesen und über andere Fälle berichteten Wolfgang Paul und ich in Fernsehbeiträgen und Interviews, unter anderem im
Südkurier
, der Regionalzeitung am Bodensee. In einer Stellungnahme, die das Blatt auf ihrer Internetseite komplett veröffentlichte, führt Aldi aus:
«Detektive werden ausschließlich zum Zweck der Beobachtung und Überführung von Ladendieben sowie zur Verhinderung und Aufklärung von Straftaten eingesetzt. Die Grundsätze für die Zusammenarbeit zwischen ALDI SÜD und dem jeweiligen Detektivbüro werden in einem Rahmenvertrag über Detektiveinsätze geregelt. Darin ist u.a. festgelegt, dass Detektive nicht befugt sind, Überwachungskameras zu installieren und eigene Überwachungskameras zu benutzen. Unseriöse Praktiken von Detektiven, wie von Ihnen beschrieben, sind uns nicht bekannt und würden auch nicht geduldet werden.»
Die Frage ist: Weshalb sollte ein Detektiv Miniaturkameras anschaffen, sie heimlich einbauen, die Aufnahmen heimlich auswerten, alles auf eigenes Betreiben? Welcher andere selbständige Kleinunternehmer würde das tun?
Fakt ist: Ein externer Überwachungsdienstleister hat keinen Schlüssel, weder zur Filiale noch zum Zentrallager. Er muss also hineingelassen worden sein, und seine Arbeiten müssen von einem Mitarbeiter mit Schlüsselgewalt ermöglicht worden sein. Oft fanden die fragwürdigen Installationen außerhalb der Öffnungszeiten statt. Um die Scharfschaltungszeiten der Filialen zu ändern, muss mindestens ein Mitarbeiter der Bereichsleiterebene einen entsprechenden Auftrag beim Sicherheitsdienst erteilen.
Fakt ist: Detektive wie Wolfgang Paul hatten lange Zeit keinen schriftlichen Vertrag mit Aldi. Sie haben auf Zuruf gearbeitet und konnten so jederzeit wieder abberufen werden. Erst im Jahr 2010 wurden die sogenannten «Rahmenverträge über Detektiveinsätze» den Detektiven zur Unterschrift vorgelegt. Sie stellen im Grunde eher eine Selbstverpflichtung der Privatermittler dar, garantieren ihnen aber keine Rechte.
Fakt ist: Ein selbständiger Detektiv schreibt Rechnungen. Liegen die Summen über 1500 Euro, muss nach Aldi-internen Regelungen ein Mitarbeiter der Geschäftsführung, also ein Prokurist, sie freizeichnen, bei Beträgen über 5000 Euro sogar der Geschäftsführer persönlich. Detektiv Paul schickte mehrere Rechnungen über 5000 Euro, alle wurden bezahlt. Auf den meisten steht «Sonderdienstleistung»; es darf angenommen werden, dass die auf Kontrolle getrimmten Aldi-Manager wussten, wofür sie bezahlten. Aus einigen Rechnungen geht eindeutig hervor, dass Miniaturkameras eingesetzt wurden.
Fakt ist: In einem Lager gibt es keinen Publikumsverkehr. Es können also keine Ladendiebe überführt werden. Die Installation und Speicherung von solchen Überwachungsdaten ist verboten, wenn nicht zuvor ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass sie stattfinden.
Nachdem der
Spiegel
enthüllt hatte, dass die Geschäftsführung Paul Aufträge erteilt und Rechnungen freigezeichnet haben muss, behauptete der Discounter plötzlich, die Mitarbeiter und Fahrer seien informiert worden.
Zuerst wusste also niemand von der Überwachung, plötzlich wussten es alle. Wie genau die Mitarbeiter informiert worden sein sollen, konnte der Discounter nicht erklären. Und weshalb werden versteckte Kameras eingesetzt, in Nacht- und Nebelaktionen ein- und ausgebaut, wenn ohnehin jeder Bescheid weiß? Diese naheliegende Frage wird sich wohl auch nicht klären lassen.
Dass Aldi seine Aufträge in Abrede stellt, ärgert den ansonsten gelassenen Privatermittler dann doch. Er ist enttäuscht. «Der Discounter», sagt er heute, «hat meine Familie zerstört und mich finanziell ruiniert.» Fünfzehn Jahre lang habe er sich aufgeopfert, die Drecksarbeiten erledigt. Paul bekam die Anfahrten zu den Filialen nicht bezahlt: weder die Kilometer noch die Zeit. Im Schnitt waren es 120 Kilometer einfache Strecke. So arbeitete er täglich fünfzehn bis sechzehn Stunden, von Montag bis Samstag, bekam aber nur elf bezahlt. Über mehr als ein Jahrzehnt hinweg ein Wahnsinnspensum. Dann wurde er aussortiert wie ein alter Handschuh. Neue, billigere Detektive spitzeln jetzt im Auftrag des Billig-Riesen.
Wie die
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