Inside Anonymous: Aus dem Innenleben des globalen Cyber-Aufstands (German Edition)
enttäuscht. »Er schickt dir eine Nachricht, gibt dir den Quellcode und loggt sich aus?« »Ja«, meinte Neuron. »Anscheinend mag er uns.«
So etwas geschah häufig. Black-Hat-Hacker aller Schattierungen oder einfach Leute, die etwas hatten, boten ihnen Daten und Informationen an. Meist waren die Daten nicht so aufregend wie angekündigt, aber letztendlich benutzte das Team den Quellcode, den ihnen der Ex-Entwickler von Sony zugespielt hatte. Und mit der Zeit überraschte es sie auch nicht mehr, dass so viele Leute von außen ihnen Tipps für nützliche Sicherheitslecks gaben. Anscheinend sprachen alle in der IT-Sicherheitsbranche – die sich selbst überwiegend aus White Hats mit einer dunklen Vergangenheit zusammensetzte – über LulzSec. Und manch einer wünschte sich insgeheim, er könnte bei dem Spaß mitmachen.
Ein Hacker bewarb sich auf ganz eigene Art um Aufnahme. Eines Nachmittags wurden einzelne Mitglieder des LulzSec-Teams immer wieder aus dem öffentlichen LulzSec-Chatroom geworfen. »Wow, Alter«, sagte Storm plötzlich auf #pure-elite. »Da versucht einer, uns lahmzulegen.« Irgendjemand schickte Junkpakete und warf jedes Mitglied des LulzSec-Teams einzeln aus dem IRC-Kanal. Ihre Computer waren nicht davon betroffen, aber die virtuellen Maschinen oder virtuellen privaten Netze, mit denen sie ihren wahren Standort verbargen, waren unter Beschuss. Wenn man die IP von jemandem per DDoS bombardierte, verschwand er für eine Weile aus dem Internet. War der Angriff stark genug, dann konnte man bei seinem Hosting-Anbieter auch komplett rausfliegen.
»Wir müssen von diesem Server runter«, meinte ein Unterstützer namens Recursion. »Wir werden angegriffen«, rief Neuron. Ein großer Tumult brach im Unterstützerteam aus, während sie panisch nach einer Möglichkeit suchten, um auf diesen Angriff zu reagieren. Sabu verdrehte fast die Augen. »Neuron, wie wär’s mit abmelden? Hört mal, Leute.« Aber keiner hörte ihm zu. »Der ganze Raum ist unter Beschuss!«, rief Storm. »Er zielt wahllos auf irgendjemanden.« Anscheinend versuchte ein Einzelkämpfer, der unter dem Namen Xxxx agierte, LulzSec am Kontakt mit den Fans der Gruppe zu hindern.
Dann erhielt Joepie eine private Nachricht: »Hi Kayla oder Sabu oder Tflow.« Sie kam von Xxxx. Joepie startete einen Suchlauf mit der IP-Adresse des Users und fand heraus, dass sich dahinter Ryan verbarg, der launische Botnet-Besitzer und Operator von AnonOps. Neuron erhielt dieselbe private Nachricht, und nach ihm noch weitere Mitglieder des Unterstützerteams. »Haltet alle verdammt noch mal die Klappe«, sagte Sabu. Alle redeten weiter aufgeregt durcheinander. »HALTET ALLE VERDAMMT NOCH MAL DIE KLAPPE!« Das verschaffte ihm ihre Aufmerksamkeit. »Entspannt euch«, riet er ihnen dann. »Was Ryan betrifft, ignoriert ihn. Er weiß nicht, dass wir es sind. Mein Gott.« »Entspannt euch«, wiederholte Joepie und setzte einen Smiley dahinter. »Ryan also?«, fragte Topiary. »Das wird hier alles ziemlich stressig«, meinte Trollpoll. »Ich weiß, Mann«, sagte Sabu. »Hört mal zu. Ab sofort muss jeder, der zu 2600 geht, mit Social Engineering rechnen oder wegbleiben.«
Jetzt hörten ihm alle zu. »Wenn ihr von Social Engineering keine Ahnung habt, geht nicht zu 2600«, sagte er. »Wenn ihr eure IP nicht vor einem DDoS geschützt habt, geht nicht zu 2600. Ganz einfach.« »Aye«, sagte Neuron. »Genau«, sagte Storm. »Aye-aye, Storm«, sagte Recursion. »Äh, Sabu. Ich wollte aye-aye Sabu sagen, nicht Storm.« »Okay«, sagte Sabu. »Die Sony-Daten sind veröffentlicht. Wir sind an etwas Größerem dran.« Er verwies auf Neurons Arbeit an dem neuen Entwicklerquellcode von Sony. »Ich schlage vor, alle, die nicht zu beschäftigt sind, prüfen diesen Quellcode.« Alle gingen wieder an die Arbeit.
Kapitel 21: Stress und Verrat
LulzSec nahm nun immer größere Objekte ins Visier; Kayla dagegen beteiligte sich immer weniger am Tagesgeschäft und betrieb vermehrt Vergeltungsaktionen gegen Feinde wie Jester und Backtrace. Sie war schon immer ein Freigeist gewesen, hatte zwar treu zu ihren Freunden gestanden, sich aber nie allzu lange und allzu stark mit einer bestimmten Sache identifiziert. Manchmal wurde ihr eine Angelegenheit schlicht zu langweilig. Auch zeigte sie weit weniger Interesse an einer Wiederbelebung der AntiSec-Bewegung als beispielsweise Sabu oder Topiary.
Stattdessen ersann sie einen ausgeklügelten Plan, sich als Spion in den #Jester-Chatroom
Weitere Kostenlose Bücher