Inside Anonymous: Aus dem Innenleben des globalen Cyber-Aufstands (German Edition)

waren und die Black Hats die Rächer. »Ein Haufen Firmen verlangt überzogene Preise und missbraucht die Ahnungslosigkeit der Leute«, sagte Topiary aufgeregt in einem Interview, nachdem er sich kurz zuvor mit Sabu über AntiSec unterhalten hatte. »Computer sind keine Geheimwissenschaft. Die Leute sollen sich ein, zwei Bücher kaufen und es selbst lernen. Das ist meine Meinung.«
    Genau diese Botschaft hatte Topiary von Sabu bekommen: Die Sicherheitsindustrie der White-Hat-Hacker ließ die Normalbürger im Dunkeln darüber, wie das Internet funktionierte, sie schwächten die Menschen und beraubten sie ihrer Möglichkeiten. Dabei war es ganz einfach, diese Sachen selbst zu lernen, wie Topiary es getan hatte.
    Während LulzSec diese neuen und bis dato verschwiegenen Korruptionen aufdeckte, verlor Anonymous immer mehr an Bedeutung. LulzSec hatte in kürzester Zeit 50.000 Followers bei Twitter angehäuft und bereitete sich darauf vor, die AntiSec-Botschaft zu verbreiten. Der AnonOps-IRC war ein einziges Chaos; alle waren furchtbar nervös. Die spannungsgeladene Atmosphäre war dahin, und auch der Spaß. In einem Chatroom wie #OpLibya, in dem sich einst achthundert regelmäßige Teilnehmer getummelt hatten, waren es jetzt vielleicht noch fünfzig, bestenfalls hundert. Die schlecht gelaunten Operatoren bekämpften sich wieder untereinander und warfen je nach Laune Teilnehmer aus dem Chat. Und im Netzwerk wimmelte es von Bundesagenten. Es war kein freundlicher Ort und auch kein sicherer. Topiary und Sabu kamen zu der Überzeugung, dass sie mit LulzSec und ihrem öffentlichen Chatnetzwerk eine weit bessere Welt erschaffen hatten.
    Sabu wollte einen neuen Kreuzzug gegen White-Hat-Hacker starten. Zu diesem Zweck ermutigte er die Gruppe in #pure-elite, sich unter den Black-Hat-Hackern im öffentlichen Chatroom von LulzSec, der sich inzwischen auf einem neuen IRC-Netzwerk namens luzco.org befand, nach Hinweisen auf neue Ziele umzuhören. Das Team arbeitete immer noch an der Infragard-Veröffentlichung, und in der Zwischenzeit schauten Topiary, Joepie91 und andere in ihren Kanal hinüber, um einigen Besuchern auf den Zahn zu fühlen.
    An diesem Tag betrat ein Hacker namens Fox den Raum und sprach Topiary an. Anscheinend hatte er ein paar Tipps für zukünftige Hackerziele.
    »Hast du einen Messenger?«, fragte Fox. »Ich fände es toll, wenn wir erbeutete Daten und solche Sachen austauschen könnten.« Topiary hatte noch nie von dem Typen gehört, aber es war einen Versuch wert. »Man bietet uns erbeutete Daten an«, verkündete Topiary dem Team, als er in den #pure-elite-Kanal zurückkehrte. »Er ist echt, aber ich bin mir nicht sicher, ob wir ihm vertrauen können.« Fox würde nur in ihren Kanal eingeladen werden, wenn Sabu die Worte hundertprozentig vertrauenswürdig sprach. Stattdessen lud das Team Fox in einen neuen, neutralen Kanal ein, damit die anderen ihn sich ansehen konnten. Sie neigten inzwischen zur Paranoia.
    »Wahrscheinlich ist er ein Spitzel«, erzählte Topiary den anderen. Sabu vermutete sogar, es könne Jester selbst sein. »Wenn er es ist, dann können wir ihn auf eine falsche Fährte locken. Wenn er es nicht ist, bedeutet das für uns erbeutete Daten gratis.« Oft nutzte die Gruppe die ersten Gespräche mit einem neuen Kontakt für Scherze und ein bisschen Spaß. Als Sabu zu dem Chat mit Fox dazustieß, gab er vor, ein LulzSec-Hacker aus Brasilien zu sein. Die Teammitglieder wechselten ständig hin und her zwischen dem Chat in dem neutralen Kanal und ihrem eigenen Basisstützpunkt, um dort über ihre eigenen Witze zu lachen, vor allem über Sabus Vorstellung als Brasilianer.
    »Hat einer von euch schon einmal mit einem echten brasilianischen Hardcore-Hacker geredet?«, fragte Sabu das Team. Er kannte viele brasilianische Hacker, sodass er ihre Sprechweise nachahmen konnte, sehr einfaches Englisch mit Hackerslang gemischt, und lieber im Text- als im Voicechat. »HEUHEAUEHAUHAUEHAHEAUEHUHheuheushHUAHUehuuhuUEUue.« Sabu hatte schnell ein typisch brasilianisches Online-Lachen eingetippt. »Fox, ein Gentleman genießt und schweigt«, hatte Sabu, immer noch in der Rolle eines Brasilianers, dem neuen Hacker erklärt. »Ah, ich liebe diese Antwort«, hatte Fox entgegnet. Das LulzSec-Team fiel beinahe vom Stuhl vor Lachen. »Sabu, du bist ein Gott«, meinte Neuron. »Vielen Dank, der Herr«, antwortete Sabu. »Seid froh, dass keiner sieht, was ich tatsächlich mache. Wir können keinem außerhalb der Gruppe