Inside Anonymous: Aus dem Innenleben des globalen Cyber-Aufstands (German Edition)
fängt schon damit an, dass ›Hector Monsegur‹ während der letzten sechs Monate praktisch täglich irgendwo gepostet wurde.« Die Formulierung benutzte er auch privat gegenüber anderen.
Erstaunlicherweise räumte Sabu seinen engsten Hackerfreunden gegenüber ein, dass mehrere Doxversuche – und neben Emick waren noch andere auf Hector Monsegur gekommen – ins Schwarze getroffen hatten. Das war natürlich bizarr, aber viele hielten das nur für einen Ausruck von Sabus Nihilismus – sagte er doch ständig: »Ich bin über den Punkt hinaus, an dem es kein Zurück mehr gibt.« Sabu schien es zu genießen, dass er sich in Gefahr brachte und alle erwarteten, dass er irgendwann geschnappt würde.
Ende November 2011 und dann noch einmal im Januar 2012 warf ein Hacker Sabu vor, dass er selbst keine Ziele mehr hackte. »Mann, mach dir endlich mal die Finger schmutzig«, schrieb der Hacker und fügte an, dass Sabu nur so den Nachweis erbringen konnte, kein Spitzel zu sein. Sabu antwortete theatralisch, er habe schon viel zur Sache beigetragen, und fügte an, dass es »Hasser« gebe, die ihn fertigmachen wollten. Während Sabu weiter geiferte, tippte der Hacker ein Emoticon für Überdruss, –.–, und ging wieder an seine Arbeit.
Doch bei allem Misstrauen glaubten viele von Sabus Bekannten nicht wirklich, dass dieser altgediente revolutionäre Hacktivist, der mit solcher Leidenschaft bei der Sache war, tatsächlich ein Spitzel sein konnte. »Die Vorstellung war so schrecklich. Und wir wussten auch nicht, wem wir so weit trauen konnten, um darüber zu reden«, meinte derselbe Hacker. Sabu hatte seine Mannschaft psychologisch so gut im Griff, dass sie aus Furcht vor seinen cholerischen Ausbrüchen nicht offen über seine wahren Absichten zu sprechen wagten.
Sabu als Informant belog nicht nur seine Hackerkollegen, sondern auch Journalisten. So täuschte er mit der Unterstützung seiner Aufpasser vom FBI Reporter, die auf ein Online-Interview mit ihm hofften. Manchmal unterhielten sie sich dann mit Agenten der Bundespolizei, in anderen Fällen saß tatsächlich Sabu am Computer, aber die Agenten sahen ihm über die Schulter. Im Grunde lief das nur auf eine weitere Falschinformationskampagne hinaus.
Schon während seines ereignisreichen Jahres bei Anonymous hatte sich Sabu als ausgezeichneter Lügner erwiesen. Nur in einer Sache hielt er die Lügen nicht durch: bei seinem Namen. Im Jahr 2011, noch vor seiner Festnahme durch das FBI, gab Hector Monsegur den Nickname Sabu auf und benutzte online in privaten IRC-Kanälen stattdessen Kage oder Kaz. Er wollte damit einen Schlussstrich ziehen, einen Neuanfang schaffen und den ständigen Doxversuchen und der Verhaftung entgehen. Mit den neuen Namen wäre ihm das FBI möglicherweise nie auf die Schliche gekommen; er könnte noch immer mit seinen beiden Kindern in der Wohnung an der Lower East Side leben, YouTube-Videos ansehen und seine Rechnungen mit gestohlenen Kreditkartennummern bezahlen. Monsegur hielt die neue Online-Identität aber nicht durch. Nach wenigen Wochen wechselte er zurück zu Sabu.
Für die Hacker von Anonymous war es ein echtes Problem, wenn jemand, der im Hackeruntergrund gut vernetzt war, seinen Namen änderte. Er verlor dann nämlich seine Kontakte und damit auch seine Vertrauensbasis. Aus seiner Zeit im Untergrund hatte Sabu Dutzende von nützlichen Kontakten als Mitarbeiter zu LulzSec, Anonymous und AntiSec mitgebracht. Ohne den Namen Sabu hätte Hector Monsegur alle diese Hackerkollegen niemals für die Projekte zusammenbringen können. So waren es am Ende sein Stolz und seine Kontrollsucht, die ihm zum Verhängnis wurden.
Anfang 2012 überlegten die Entscheidungsträger beim FBI immer intensiver, wie lange sie Sabu noch als Informanten behalten sollten. Bislang hatte er dabei geholfen, eine Reihe von Schwächen in angegriffenen Netzwerken zu beheben, er hatte bei der Identifikation von Jeremy Hammond mitgewirkt und Beweise für die Anklage gegen Donncha »Palladium« O’Cearrbhail aus Irland geliefert. Anfang Januar 2012 hatte O’Cearrbhail (ein gälischer Name, der wie »Carol« ausgesprochen wird) den Gmail-Account eines Angehörigen der irischen Bundespolizei gehackt, der von seinem offiziellen E-Mail-Konto bei der Polizei regelmäßig E-Mails an sein Gmail-Konto geschickt hatte. Eine der E-Mails enthielt Informationen über eine für den 17. Januar geplante Telefonkonferenz über die Ermittlungen gegen LulzSec und Anonymous unter Beteiligung
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