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Inside Anonymous: Aus dem Innenleben des globalen Cyber-Aufstands (German Edition)

Inside Anonymous: Aus dem Innenleben des globalen Cyber-Aufstands (German Edition)

Titel: Inside Anonymous: Aus dem Innenleben des globalen Cyber-Aufstands (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Parmy Olson
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schon länger geahnt, dass Sabu etwas im Schilde führte (warum sollte er sich wohl sonst mit ihr treffen wollen), doch an dem Tag, an dem die Nachricht kam, sei es doch etwas ganz anderes gewesen, »konkret davon zu erfahren«. Kurz bevor er enttarnt wurde, durfte Sabu seiner Familie und seinen Freunden per Telefon mitteilen, was bevorstand. Er rief auch bei Coleman an. Als sie sich später an dieses letzte Gespräch erinnerte, beschrieb Coleman es als »teils eine Entschuldigung, teils ein ›Es ist nicht das, wonach es aussieht‹«.
    Als die Schlüsselfiguren bei Anonymous und AntiSec von den Ereignissen erfuhren, war man schockiert über das Ausmaß von Sabus Kooperation. Doch man war auch überrascht, dass das FBI von der Ausbeute bei Stratfor, der abgehörten FBI-Konferenzschaltung und anderen Hackerangriffen gewusst hatte. »Wenn ich Stratfor wäre, hätte ich eine Stinkwut auf das FBI«, schrieb jemand. »Die wurden quasi geopfert, um diesen einen Typen zu fassen [ Jeremy Hammond ] . So ein Scheiß, Mann … und so was nennt sich Ermittlung?« Hacker, die mit Sabu zu tun gehabt hatten, gerieten völlig außer sich und kündigten an, eine Weile zu verschwinden.
    »Ich wusste, da stimmt was nicht«, sagte Jake Davis, kurz nachdem er erfahren hatte, wie Sabu die Mitbegründer von LulzSec betrogen hatte. Jake reagierte wie immer gelassen. Er schien nicht wütend auf Sabu – vielleicht, weil er sich ohnehin schon von dem ehemaligen Freund gelöst hatte, der ihn gedrängt hatte, die AntiSec-Sache wiederaufzunehmen. Was Jake mehr schockierte, war der Umstand, dass das FBI bei seinen Ermittlungen offenbar den Cyberattacken zugeschaut hatte. »Ich hätte nicht gedacht, dass die so verrückt sind.«
    Jetzt war es klar: Sabu, Topiary, Kayla, Tflow und Pwnsauce, fünf der sechs Stammmitglieder von LulzSec (was mit AVunit geschah, weiß man nicht), waren verhaftet. Es schien beinahe unmöglich, ein Anonymous-Held zu werden, ohne irgendwann Handschellen angelegt zu bekommen. Aber bedeutete das auch das Ende von Anonymous? Jakes letzter Tweet als Topiary – »Man kann eine Idee nicht verhaften« – schien sich zu bewahrheiten. Bei Anonymous gab es keine echten Anführer, sondern Symbolfiguren und kleinere Gruppen, die gelegentlich zusammenarbeiteten. Es gab sogar verschiedene Kulturen: die EFnet-Hacker der alten Schule wie Sabu, die sich mit der AntiSec-Vision identifizierten, oder 4chan-Nutzer wie William, die Anon vor allem deswegen mochten, weil es ihnen half, »die Nacht durchzumachen«. Und dann gab es noch Leute wie Topiary, Kayla und Tflow, die irgendwo dazwischen lagen und Anonymous als vielfältiges Mittel zur Selbstverwirklichung sahen – Menschen, die neue Erfahrungen machen und die Welt verändern wollten, und das auf eine Weise, die ihrer Begeisterung für Computer und das Internet entsprach. Anonymous auf einen Nenner zu bringen und komplett zu zerstören war unmöglich.
    In der aufstrebenden Welt der Meme, der Schwarmauslagerung und der sozialen Netzwerke besaßen die Dinge eine schwebende Eigenschaft, die nicht vorherzusagen, zu kontrollieren oder zu stoppen war. Die einen Mitglieder wurden verhaftet, die anderen kamen neu hinzu. Die Polizei meinte, man schlage LulzSec den Kopf ab, doch bis März 2012, nachdem LulzSec schon gut neun Monate aufgelöst war, nahmen andere Hacker die AntiSec-Bewegung wieder auf. Allein im Februar 2012 bekannten sich Anonymous-Unterstützer unter anderem zu Angriffen auf die CIA, auf Interpol, auf Citigroup und auf eine Bankenkette in Brasilien.
    Ab September 2011 wuchs die internationale Bewegung Occupy, für die in den großen Hauptstädten Tausende auf die Straße gingen und soziale und ökonomische Ungleichheit anprangerten, oft mit dem Motto: »Wir sind neunundneunzig Prozent«. Die Aktivisten unter den Anonymous-Leuten unterstützten Occupy, machten auf Twitter und in Blogs auf die Bewegung aufmerksam und trugen bei Demonstrationen die Guy-Fawkes-Maske. Bis April 2012, als die Bewegung bereits in die Pause ging, nahm die Polizei im Zusammenhang mit der Occupy-Bewegung mehr als 6.800 Personen fest. Beobachter staunten, wie umfassend sich die offenbar führungslose globale Masse online und in realen Demonstrationen organisieren konnte, dabei hätten sie nur bei Anonymous nachschauen müssen, um zu erkennen, dass es das alles schon gegeben hatte.
    Dass das FBI Sabu als Informanten gewinnen konnte, war ein echter Coup, doch das Verfolgen der alltäglichen Flut von

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