Inside Anonymous: Aus dem Innenleben des globalen Cyber-Aufstands (German Edition)
British Army gedient und einige Zeit im Irak verbracht. Jetzt war er arbeitslos und wohnte bei seinen Eltern. Er war eher klein, hatte tiefliegende Augen und dunkles, zu einem militärischen Bürstenschnitt geschorenes Haar. Er sprach mit tiefem Bariton und starkem nordenglischem Akzent. Ackroyds jüngere Schwester, schmal und blond, hieß bezeichnenderweise Kayleigh.
Genauso wie zuvor bei Jake Davis synchronisierten die Detectives auch Ackroyds Verhaftung mit der seines in Warminster stationierten jüngeren Bruders Kieron. Nachdem man Kieron befragt hatte, ließ man ihn wieder frei, ohne Anklage zu erheben. Kieron und Kayleigh Ackroyd schienen eine enge Geschwisterbeziehung zu haben; Kayleigh postete regelmäßig an die Facebook-Pinnwand ihres jüngeren Bruders. So machte sie ihm beispielsweise für die Fahrprüfung Mut: »Du schaffst das schon«, sagte sie im Januar 2011. Der ältere Bruder Ryan jedoch tauchte in ihren öffentlichen Gesprächen nicht auf.
»Er ist der typische englische Fußsoldat«, sagte jemand, der Ackroyd kannte. »Er steht stramm, und wenn man ihm sagt: Spring!, dann springt er – so ein Typ halt. Entweder ist er extrem schlau, dass er so ein Ding abzieht, oder die haben den Falschen.«
»Sie ist britische Soldatin«, antwortete Sabu verhalten, als man ihn in einem Telefoninterview am 5. November fragte, was er über Kayla wisse. »Sie ist ein Kerl.« Dann wieder wirkte er unsicher und berichtete, er habe gehört, jemand teile die »Kayla«-Identität mit mehreren transsexuellen Hackern. »Keine Ahnung, was der Scheiß soll. Das sind so verquere Transvestiten oder so. Absoluter Brainfuck, sag ich.«
Jedenfalls verfiel Kaylas einst so produktiver Twitterfeed als @lolspoon an diesem kalten Septembermorgen im Jahre 2011 in Schweigen (und wurde bis heute nicht reaktiviert). Im März 2012 dann, als das FBI mit der Wahrheit über Sabu an die Öffentlichkeit ging, bekamen die britischen Behörden schließlich die Erlaubnis, Ryan Ackroyd der zweimaligen Verschwörung zum Angriff auf ein Computernetzwerk anzuklagen.
Fox News – Zielscheibe beißenden Spotts von Anonymous und LulzSec und mindestens eines Cyberangriffs im Jahr 2011 – verkündete der Welt am 6. März 2012, der »meistgesuchte Hacker« Sabu sei ein Informant des FBI. »EXKLUSIV: Berüchtigte internationale Hackergruppe LulzSec vom eigenen Anführer verraten«, lautete die Schlagzeile. Fox hatte monatelang an der Story gearbeitet und sich die meisten Informationen von FBI-Beamten und ein paar Hackern eingeholt, die Sabu kannten. Man outete Sabu als Hector Monsegur und berichtete, die Polizei habe weitere fünf Männer verhaftet und angeklagt, und zwar zum größten Teil anhand von Beweisen, die Hector »Sabu« Monsegur gesammelt habe. »Das wird die Organisation zerstören«, zitierte der Bericht einen FBI-Beamten. »Wir schlagen LulzSec den Kopf ab.«
Jeder größere Nachrichtenkanal nahm die Geschichte auf, wobei sich die meisten auf den Bericht bei Fox beriefen. Journalisten brachen über die Wohnanlage Jacob Riis herein und schossen Fotos von Sabus Wohnungstür. Sie klopften, aber nichts rührte sich. Andere sprachen mit Nachbarn. Die waren geteilter Ansicht über Hector Monsegur. Er sei still, aber freundlich gewesen, sagten die einen, und habe die Leute angelächelt, wenn man sich im Flur begegnete. Eine ältere Frau, die unter ihm wohnte, erzählte dagegen, sie habe sich bei der Gemeindeverwaltung von Manhattan über »Kindergebrüll, Hundegebell, Schreie und Schläge« beschwert, die aus seiner Wohnung gedrungen seien, meist bis vier Uhr morgens.
Die Enthüllung, dass Sabu ein Schnüffler war, erschreckte Tausende Followers und Unterstützer von Anonymous. Die beliebteren Anonymous-Twitterfeeds zitierten lediglich die Schlagzeilen, unfähig zu einem Kommentar. Jemand meinte, mit den Verhaftungen schlage man den Kopf der Hydra ab, und es würde Neues nachwachsen. Anonymous, so die Annahme, würde sich nicht unterkriegen lassen.
Jennifer Emick hatte einen prima Tag und stellte auf Twitter klar, Anonymous sei nun so gut wie tot. Gabriella Coleman, die den Wolfe Chair in Scientific and Technological Literacy an der McGill Universität in Montréal innehat, war eine der wenigen, die Sabu persönlich traf, als sie noch in New York lebte. Er habe sich nicht sehr von seiner Online-Persönlichkeit unterschieden, erinnert sie sich. Obwohl sie sich seit Jahren mit Anonymous beschäftigt, war Coleman schockiert. Sie hatte zwar
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