Inside Anonymous: Aus dem Innenleben des globalen Cyber-Aufstands (German Edition)
gegenüber der New York Times, man habe »den Angriff [gegen Stratfor] geschehen lassen, um weitere Informationen zu erhalten«, und behauptete, die Hacker hätten am 6. Dezember schon knietief in vertraulichen Daten von Stratfor gesteckt. Zu diesem Zeitpunkt, fügte das FBI an, sei es schon »zu spät« gewesen, die Attacke noch abzuwenden. Aus den Gerichtsakten geht jedoch hervor, dass die Hacker erst am 14. Dezember Zugriff auf die E-Mails von Stratfor erlangten. Am 6. Dezember war Sup_g alles andere als »bis zu den Knien« in Stratfor-Daten; er hatte bis dahin lediglich verschlüsselte Kreditkartendaten gefunden, die er entschlüsseln zu können glaubte.
Bezeichnenderweise zeigte Sabu, der doch wegen des Einsatzes für Assange überhaupt erst zu Anonymous gestoßen war, erst dann Interesse daran, mit dem Gründer von WikiLeaks zu sprechen, als ihm das FBI dabei über die Schulter schaute. Nach dem ersten noch zu LulzSec-Zeiten erfolgten Kontakt wollte er nach Ansicht von Hackern insbesondere nach dem Stratfor-Angriff immer wieder mit Assange sprechen und ging dessen Assistenten mit seinen Anfragen regelrecht »auf die Nerven«. »Sabu versuchte seit langem, Verbindung [zu Assange] zu bekommen«, meinte ein Hacker. Andere fügen an, Sabu sei »ausgeflippt«, als er erfuhr, dass Anonymous die E-Mails von Stratfor an WikiLeaks weitergeben wollte, habe bei WikiLeaks angerufen und verlangt, mit Assange persönlich zu sprechen. Es ist nicht sicher, ob er zu Assange durchdrang oder nur mit seinem Assistenten sprach, aber diversen Quellen zufolge forderte Sabu Geld für die E-Mails. Assange verweigerte das offenbar.
Als die Stratfor-Hacker Wind davon bekamen, dass Sabu Geld für die E-Mails verlangte, die sie gestohlen hatten, waren sie entsetzt und übertrugen die Daten sofort und kostenlos auf die Server von WikiLeaks. WikiLeaks hat weder öffentlich noch privat bestritten, dass Sabu von der Organisation Geld verlangt hat. Hätte WikiLeaks aber bezahlt, dann hätten die amerikanischen Ermittlungsbehörden in einem Verfahren gegen Assange sehr viel mehr in der Hand gehabt. Es mag bezweifelt werden, dass das FBI Zeit für und Interesse an einer Entscheidung von höherer Stelle hatte, die Sache erst einmal laufen zu lassen, um WikiLeaks auf dem falschen Fuß zu erwischen – es ist aber möglich, dass irgendein Agent in der Hierarchie die Idee hatte, Sabu dazu zu bringen, dass er Assange um Geld anging, und dann abzuwarten, was sich daraus ergeben würde.
Als WikiLeaks die E-Mails von Stratfor erhalten hatte, ging es eine Kooperation mit fünfundzwanzig Medienorganisationen ein, darunter Rolling Stone und Russia Reporter , und lieferte in der Folge einen ständigen Strom an vertraulichen Informationen – die sogenannten Global Intelligence Files. Die Nachrichtenkommentatoren merkten dazu an, dass WikiLeaks damit zum ersten Mal Daten herausgab, die von Anonymous gehackt worden waren. Bis dahin hatte praktisch niemand außerhalb der Hackergemeinde von LulzSec, WikiLeaks und dem FBI gewusst, dass Assange seit Juni 2011 mit Sabu und anderen Anon-Hackern in Kontakt stand. Das bedeutete natürlich nicht, dass eine stabile Partnerschaft bestand. Zwei Hacker-Quellen bestätigen unabhängig voneinander, dass Assange Sabu lange Zeit nicht traute. Warum das der Fall war, lässt sich nicht sagen, aber Assange war beileibe nicht der Einzige, der spürte, dass etwas an der Sache nicht in Ordnung war.
»Eines kam mir nach seiner Rückkehr wirklich merkwürdig vor«, sagte ein anderer Hacker über Sabus Rückkehr zu LulzSec nach vierundzwanzigstündiger Abwesenheit (wegen seiner Festnahme). »Plötzlich sprach er über seine Familie. In einer Privatunterhaltung erwähnte er, er habe zwei Kinder.« Das war äußerst beunruhigend. Trotz der unausgesprochenen Regel bei Anonymous, dass man nie über sein Privatleben sprach, sagte Sabu plötzlich Dinge wie: »Meine Familie ist mir das Wichtigste.« Zuvor hatte er seine beiden Töchter nie erwähnt. Und noch etwas war seltsam: Wenn andere Hacker von Anonymous nach Polizeiverhören wieder online gehen durften, dann berichteten sie, dass die Ermittler sie merkwürdigerweise nie nach Sabu gefragt hatten.
Derweil bestritt Sabu unverdrossen gegenüber Hackern und in Interwiews, dass er »Hector Monsegur« sei, nutzte die kuriose Situation gar zu seinem Vorteil, wenn er beispielsweise am 26. Juni 2011 twitterte: »Wie viele von euch sind eigentlich auf diese Fehlinfo hereingefallen? Haha. Das
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