Inside Anonymous: Aus dem Innenleben des globalen Cyber-Aufstands (German Edition)
von FBI-Agenten und der Metropolitan Police von England. Palladium setzte Sabu kurz davon in Kenntnis, dass er mithören und aufnehmen werde. »Und du bist der Einzige, dem ich das verrate«, schrieb Palladium aufgeregt. »Das wird monumental werden!«
Als er das achtzehnminütige Gespräch aufgezeichnet hatte, schickte Palladium die Tondatei an Sabu, der sie zur Prüfung der Echtheit ans FBI weiterreichte. Sie war echt. Und da Sabu die Datei nicht publizierte, stellte sie jemand anderes zum Vergnügen der Anon-Gemeinde und zur Schande des FBI bei YouTube ein. Hinter den Kulissen gelang dem FBI mithilfe einer Durchsuchungsanordnung für den Facebook-Account eines Freundes die Identifizierung von Palladium, und dank Sabus Chatprotokollen konnte man ihn mit einer saftigen Anklage konfrontieren. Sabu hatte Beweise gegen insgesamt fünf Personen gesammelt: Topiary, Kayla, Tflow, Sup_g (Jeremy Hammond) und Palladium.
Anfang 2012 waren die Ermittlungsbehörden auf beiden Seiten des Atlantiks so weit, Anklage gegen die fünf Anons zu erheben. Die Tage von Sabu als Informant waren gezählt, aber ein genaues Datum zu wählen war nicht so einfach. »Da gab es ständig Probleme in den Beziehungen zwischen den britischen Behörden und dem FBI«, meinte eine Quelle mit Einblick in die FBI-Ermittlungen gegen LulzSec und Anonymous. Sabu war zwar in New York, aber mindestens fünf Hacker von LulzSec wohnten auf den britischen Inseln, weswegen die Metropolitan Police es kaum erwarten konnte, den Abzug zu drücken und Anklage zu erheben. Die Amerikaner hatten einen wichtigen Informanten, der ihnen helfen konnte, weitere Hacker dingfest zu machen; die Engländer dagegen hatten vier Hacker, die sie rasch vor Gericht bringen wollten.
Das FBI wollte so viel wie möglich aus dem Spitzel von der Lower East Side herausholen. Mit seiner Hilfe waren viele Schwächen in den Netzwerken beseitigt worden; wenn jetzt seine Festnahme und sein Doppelleben bekannt wurden, dann würde das Anonymous und AntiSec mit ihren schädlichen Überzeugungen ohne Zweifel einen schweren Schlag versetzen. Nur konnten die Feds nicht wissen, wie viel ihnen Hector Monsegur dann noch nutzen konnte. Er war klug und gut vernetzt, aber er war eine tickende Zeitbombe.
Eines Abends Anfang Februar traf ein Beamter der New Yorker Polizei Hector in einer anderen Wohnung seines Viertels an und forderte ihn auf, sich auszuweisen. »Ich heiße Boo. Alle nennen mich Boo«, antwortete Hector. »Ganz ruhig. Ich bin von der Bundespolizei. Ich bin ein Agent der US-Regierung.« Offenbar glaubte Hector, dass er Sabu und gleichzeitig ein echter FBI-Agent war. Noch am selben Abend wurde er wegen Amtsanmaßung angeklagt.
Ebenso kompliziert: Bei der Überwachung von Sabu gewannen die Ermittler einen Eindruck von der Geschwindigkeit, mit der in der Welt von Anonymous und AntiSec alles ablief. Täglich hörte Sabu haufenweise Ideen für Angriffe; manche wurden verworfen, andere dagegen so schnell ausgeführt, dass das FBI nicht das Geringste dagegen ausrichten konnte. Prahlende Hacker auf Twitter, Internet-Dramen, Lulz – für das FBI war das alles Neuland.
Als die Metropolitan Police von London das FBI schließlich in Kenntnis setzte, dass der 7. März als »Dropdead«-Datum für die Festnahme der vermeintlich mit Kayla identischen Person und die öffentliche Erhebung der Anklage gegen sie unverrückbar feststand, willigte das FBI ein, Hector kurz vor diesem Datum außer Dienst zu stellen. Alles sollte gleichzeitig bekanntgegeben werden: die vermutlichen Identitäten von Kayla, Pwnsauce, Palladium und Sup_g (dem Stratfor-Hacker) sowie die Tatsache, dass Sabu über erstaunliche acht Monate mit dem FBI zusammengearbeitet hatte. Die Nachricht musste wie eine Bombe wirken, und die Polizei wollte sie genau über Anonymous abwerfen.
Kapitel 27: Die wahre Kayla,
das wahre Anonymous
Sieben Monate zuvor, am 2. September 2011, war die britische Polizei vor einem Einfamilienhaus in dem ruhigen englischen Vorort Mexborough in South Yorkshire vorgefahren. Es war ein kalter, grauer Morgen. Einer der Beamten hatte einen Laptop geöffnet und verfolgte den @lolspoon-Twitterfeed. Man wartete darauf, dass eine Hackerin namens »Kayla« einen weiteren Tweet postete. Als sie es tat, brachen mehrere andere Beamte durch die Hintertür in das Haus ein, stiegen die Treppen zum Schlafzimmer von Ryan Mark Ackroyd empor, traten ein und verhafteten ihn. Ackroyd war fünfundzwanzig, hatte vier Jahre bei der
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