Inside Anonymous: Aus dem Innenleben des globalen Cyber-Aufstands (German Edition)
hellgrünen Textkästchen und einem manipulierten Bild der Anti-Orbital Ion Cannon aus dem Film Star Wars : The Clone Wars , die einen breiten grünen Laserstrahl gegen einen Planeten abfeuerte.
Es gab eine Option »Zielauswahl« – dazu musste man die gewünschte URL eingeben – und einen Button »Zielerfassung«. Hatte man das Ziel erfasst, zeigte ein großes Kästchen in der Mitte die IP-Adresse des Servers, und das Programm bereitete sich auf den Angriff vor. Dann erschienen ein Button »LASER WIRD GELADEN« und Optionen für die Konfiguration des Angriffs. Während der ersten Angriffe auf Scientology war die LOIC immer im »manuellen« Modus, was bedeutete, dass die Nutzer selbst entschieden, wohin und wann sie feuerten und welche Art Pakete sie senden wollten.
Lief der Angriff, erschien ganz unten eine Statusleiste, die zeigte, ob das Programm wartete, eine Verbindung herstellte, Daten anforderte, Daten herunterlud oder stillstand. Wenn es Daten anforderte, erschien eine rasch ansteigende Zahl. Wenn diese nicht mehr wuchs, war entweder die LOIC abgestürzt oder die Zielwebseite zusammengebrochen. Das konnte man überprüfen, indem man dort nachsah – bekam man die Meldung »Zeitlimit überschritten«, war die Mission geglückt.
Mettenbrink fühlte sich nicht besonders heldenhaft, als er die LOIC zum ersten Mal gegen Scientology.org abfeuerte, insbesondere, weil das Programm sofort abstürzte. Er überprüfte die Konfigurationen, startete es neu, minimierte das Fenster und kehrte zu seiner alten Beschäftigung zurück, nutzlos auf 7chan herumzuhängen. Anders als Gregg Housh war Mettenbrink kein engagierter Chanology-Teilnehmer. Er machte sich nicht die Mühe, einen IRC-Chatroom wie #xenu zu besuchen oder sich zu informieren, was Anonymous als Nächstes vorhatte. Stattdessen ließ er die LOIC einfach mehrere Tage und Nächte im Hintergrund laufen und vergaß sie schließlich ganz. Erst als ihm auffiel, dass sie seine Internetverbindung verlangsamte, schaltete er sie ab – nach etwa drei Tagen.
»Ich bin nicht verantwortlich dafür, wie du mit diesem Tool umgehst«, hatte der LOIC-Programmierer NewEraCracker in einem Warnhinweis geschrieben, als er seine veränderte Version ins Netz stellte. »Gib also nicht mir die Schuld, wenn du geschnappt wirst, weil du Server angegriffen hast, die dir nicht gehören.« Es war eigentlich unbedingt erforderlich, die LOIC nur über ein anonymisierendes Netzwerk wie Tor zu betreiben, um die eigene IP-Adresse vor dem Angriffsziel und der Polizei zu verbergen. Aber es gab jede Menge Ahnungslose wie Mettenbrink, die die LOIC direkt von ihrem Schreibtischrechner aus betrieben, ohne sie irgendwie zu maskieren, entweder weil sie nicht wussten, wie man es anstellte, oder weil ihnen nicht klar war, dass der Einsatz der LOIC illegal war.
Dazu kam, dass sich immer mehr Anons in den IRC-Netzwerken zusammenfanden, was bedeutete, dass sie ihre Spitznamen und ihren Ruf zu verteidigen hatten. Es ging jetzt nicht mehr nur darum, Teil eines Mobs zu sein, sondern es wurde zu einer gewissen Verpflichtung, wiederzukommen und sich auch an zukünftigen Angriffen zu beteiligen. Die Teilnehmer in einem Chanology-IRC-Chatroom wussten zum Beispiel, dass sie beim Einloggen am nächsten Tag auch eine Menge neuer Online-Freunde wiederfanden, die vielleicht schlecht von ihnen dachten, wenn sie sich nicht mehr blicken ließen. Das war ganz anders als auf /b/, wo man schlagartig verschwinden konnte, ohne dass es jemandem auffiel.
Chanology wurde zu einer regelrechten Gemeinde mit Hunderten von Angehörigen, und diese spaltete sich allmählich in Foren- und IRC-Netzwerk-Benutzer auf. Imageboard-Foren wie 4chan kannten die LOIC schon seit Jahren; die /b/tards lagen ständig in Fehde mit anderen Foren, denen sie unterstellten, ihre Meme und ihren Content zu stehlen, zum Beispiel eBaum’s World oder die Bloggerseite Tumblr. Aber inzwischen gingen immer mehr Anons zu IRC-Netzwerken über, um sich abzusprechen und Anweisungen für DDoS-Attacken einzuholen. Seit Januar 2008 veröffentlichten die Organisatoren Bekanntmachungen zu Chanology und Anleitungen zum Mitmachen im Partyvan-Netzwerk, damit die Tausende Neulinge, die dem Online-Protest so plötzlich zuströmten, sich über die LOIC und die IRC-Chatrooms informieren konnten, ohne erst jemanden fragen zu müssen.
Die DDoS-Angriffe auf Scientology erreichten ihren Höhepunkt am 19. Januar, als die Hauptwebseite der Sekte von 488 Attacken verschiedener
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