Inside Anonymous: Aus dem Innenleben des globalen Cyber-Aufstands (German Edition)
Brian setzte sich auf, tappte blinzelnd die Treppe hinauf und kam in T-Shirt und Unterhose, wie er geschlafen hatte, an die Tür. Dort standen zwei Männer in Anzügen, die ihre Ausweise zückten und sich als FBI-Agenten vorstellten. Sie fragten Mettenbrink, ob er Zeit für eine »freundliche Unterhaltung« habe. Brian stimmte zu und bat sie herein. Er hatte keine Ahnung, dass es um die DDoS-Angriffe ging.
Die Schuhsohlen der Agenten klickten auf dem Fliesenboden des Flurs, als sie ins Esszimmer gingen und sich an den hölzernen Tisch setzten. Mettenbrink schob sich die John-Lennon-Brille auf der Nase zurecht. Er war eher ratlos als ängstlich. Die Agenten begannen, ihm Fragen über die Angriffe vom Januar und über Anonymous allgemein zu stellen.
»Wie steht Anonymous zu Scientology?«, wollte einer wissen. »Welche Haltung hat die Bewegung?« »Soviel ich weiß, hat Anonymous etwas gegen Scientology«, erwiderte Mettenbrink und erzählte von den aufgeregten Posts über einen Raid gegen Scientology auf 4chan und 7chan. »Die haben gesagt, wir sollen ihre Webseiten angreifen.« Mettenbrink hatte sich nach den Angriffen über Scientology informiert und meinte jetzt, die Glaubenslehre der Sekte sei »komisch«, und sie fordere Hunderte Dollar an Mitgliedsgebühren. »Waren Sie an den DDoS-Attacken beteiligt?«, fragte einer der Agenten. Mettenbrink rutschte auf seinem Stuhl herum. »Eine Weile lang schon«, sagte er. Der Rechner, auf dem er die LOIC-Software installiert hatte, stand unten im Keller. »Hat Ihnen die Beteiligung daran ... Spaß gemacht?« »Klar«, erwiderte Mettenbrink, der daran dachte, wie langweilig er das College gefunden hatte. »War mal was anderes. Hat schon Spaß gemacht.« »Wussten Sie zur Tatzeit, dass Ihre Handlung einen Straftatbestand darstellt?«, fragte einer der Agenten. »Schon«, gab Mettenbrink zu. »Ich habe aber nicht geglaubt, dass deswegen gleich das FBI bei mir auftaucht.« Er starrte die beiden Agenten an.
Mettenbrink hatte zwar gewusst, dass die Verwendung der LOIC nicht legal war, aber auch nicht gedacht, dass es sich dabei um ein ernsthaftes Vergehen handele, sondern sie mehr für ein Kavaliersdelikt gehalten, etwa wie das Überfahren einer roten Ampel, das mit einem Bußgeld von 100 Dollar abgetan war. Später wünschte er sich, er hätte den beiden Agenten nicht so viel erzählt. Die beiden erklärten Mettenbrink, die Ermittlungen des FBI hätten ergeben, dass eine der IP-Adressen, von denen der Angriff ausgegangen war, zu Mettenbrinks Internetanschluss gehörte. »Haben Sie das verstanden?« »Ja.« »Kennen Sie irgendein Mitglied dieser Gruppe im realen Leben?« »Nein.«
Die »freundliche Unterhaltung« dauerte etwa eine Stunde und lieferte dem FBI und später den Anwälten von Scientology genug Material gegen den unglücklichen Mettenbrink. Später kontaktierte das FBI auch noch sein ehemaliges College und ging seine Internetprotokolle durch. Mettenbrink hörte monatelang nichts mehr vom FBI, und es dauerte noch ein Jahr, bis ihm sein Anwalt erklärte, wie ernst die Anschuldigungen gegen ihn waren. »Haben Sie eine Vorstellung, welchen finanziellen Schaden Sie laut Scientology angerichtet haben?«, fragte der Anwalt. Der junge Mann überlegte. »Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass da überhaupt ein finanzieller Schaden sein soll«, meinte er. Er hatte schließlich nur eine Webseite mit sinnlosen Anfragen überschwemmt, sodass sie ein paar Tage lang ein bisschen langsamer lief. Na und? »Die fordern 100.000 Dollar von Ihnen«, sagte der Anwalt. Mettenbrink fiel aus allen Wolken. Sein Angriff auf Scientology.org war ein spontaner Spaß gewesen, seine Waffe ein kleines, umsonst erhältliches Programm, das er im Hintergrund laufen lassen hatte, während er in einem Forum chattete. Wie konnte das 100.000 Dollar Schaden anrichten?
Scientology ging mit der Forderung schließlich auf 20.000 Dollar herunter. Die würde Mettenbrink zwar zahlen müssen, aber wenigstens waren es nicht mehr 100.000. Die Anwälte von Scientology in Los Angeles forderten außerdem eine zwölfmonatige Gefängnisstrafe, weil eine Bewährungs- oder Ersatzstrafe »andere dazu ermutigen könnte, das Internet für Hassverbrechen zu missbrauchen«.
Laut der Urteilsbegründung hatte Mettenbrink »beste Aussichten im Leben« gehabt, weil er aus einer intakten Familie in Nebraska kam und seine Eltern ihm halfen, das Collegestudium zu finanzieren. Außerdem wurden ihm »besondere Begabungen« für
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