Inside Anonymous: Aus dem Innenleben des globalen Cyber-Aufstands (German Edition)
Computer und Hardware bescheinigt. Während der Verhandlung beschrieb ein Anwalt der Scientology die Anonymous-Gruppe mit Vokabeln wie »Nazis« und »Terroristen«.
Am 25. Januar 2010, fast zwei Jahre nachdem er das LOIC-Tool heruntergeladen hatte, bekannte sich Mettenbrink vor einem Bundesgericht für schuldig, in einen geschützten Rechner eingedrungen zu sein, und musste für ein Jahr ins Gefängnis. Er war erst der zweite Angeklagte überhaupt, der für seine Beteiligung an einer DDoS-Attacke von Anonymous in Haft kam. Im November 2009 war der neunzehnjährige Dmitriy Guzner aus Verona, New Jersey, zu einem Jahr und einem Tag Freiheitsstrafe in einem Bundesgefängnis verurteilt worden.
Inzwischen mühten sich die IT-Sicherheitsexperten ab, diese neue Art Hacktivisten einzuordnen, die scheinbar aus dem Nichts gekommen war. Prolexic, die Sicherheitsfirma, die mit der Abwehr der DDoS-Attacken auf Scientology bereits einige Erfahrungen in diesem Bereich gesammelt hatte, riet zukünftigen Opfern von Anonymous: »Wecken Sie keine schlafenden Hunde.« Nach einem DDoS-Angriff solle man nicht darüber reden. »Wenn Sie die Angreifer über die Medien warnen oder bedrohen, hält es die Sache nur am Leben, macht die Täter wütend und erhöht die Wahrscheinlichkeit eines weiteren Angriffs. Die meisten DDoS-Angreifer suchen die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit, also helfen Sie ihnen nicht noch dabei.« Was natürlich genau das war, was Scientology getan hatte.
Nur wenigen Beobachtern war klar, dass Anonymous sich mit der Reaktion auf die Provokationen von Scientology in zwei Lager gespalten hatte. Das war schon bei den Demonstrationen zu erkennen gewesen – auf einer Seite die mit scherzhaften Parolen bekritzelten Transparente, auf der anderen die Plakate mit ernsthaften Vorwürfen gegen Scientology. Hier zeigte sich ein fundamentaler Bruch zwischen denjenigen, die an den Ursprüngen von Anonymous festhalten wollten, nämlich Spaß und Lulz, und denjenigen, die sich als Aktivisten sahen. In den kommenden Jahren würde diese unterschiedliche Motivation die Identität von Anonymous noch schwerer erkennbar machen. Sie würde sogar einen Keil zwischen Topiary und Sabu treiben. Und während Chanology langsam ihr Leben aushauchte, betrat einer von Sabus größten zukünftigen Gegnern die Bühne.
Kapitel 6: Bürgerkrieg
Zwar bestand der Großteil der Anonymous-Teilnehmer aus jungen männlichen Singles, doch es gab auch Frauen, einige von ihnen waren verheiratet und hatten Kinder. Als die Kalifornierin Jennifer Emick – sechsunddreißig Jahre, schwarzhaarig und Fan von keltischem Schmuck – von Chanology hörte, war sie sofort interessiert. Vor Jahren hatte sich eine Familienangehörige Scientology angeschlossen und beängstigende Erfahrungen gemacht. Emick war seitdem überzeugt, dass die Sekte gefährlich war, und schrieb inzwischen als Autorin über neuartige religiöse Bewegungen und religiösen Symbolismus. Als Chanology entstand, steuerte sie gelegentlich Artikel über Religion und Esoterik zur Ratgeberwebseite About.com bei, die von der New York Times betrieben wird.
Emick machte sich also mit ihrem Notebook auf den Weg zu den ersten Anonymous-Protesten am 10. Februar 2008 vor einer Scientology-Filiale in San Francisco, um eine Reportage darüber zu schreiben. Sie fand etwa zwei- bis dreihundert Teilnehmer vor, darunter prominente Sektenaussteiger und den Sohn des Scientology-Gründers L. Ron Hubbard. An diesem Tag demonstrierten etwa achthundert Anonymous-Unterstützer vor Scientology-Zentren in Australien und noch mehr in London, Paris, Berlin, New York, Los Angeles, Chicago, Toronto und Dublin. Insgesamt nahmen laut Berichten der örtlichen Medien sieben- bis achttausend Menschen in dreiundneunzig Städten weltweit an den Demonstrationen teil. Emick beschloss, im nächsten Monat wiederzukommen – diesmal als Demonstrantin, nicht als Journalistin. Es gefiel ihr, dass die Protestler den Polizisten gegenüber stets friedlich blieben.
Die Protestler wiederum waren von Emicks starker Persönlichkeit und ihrer Argumentationskraft gegenüber Scientology-Vertretern beeindruckt und erklärten sie zur ehrenamtlichen Scientology-Expertin. Emick erklärte den Teilnehmern, dass die erlebten Einschüchterungstaktiken für die Sekte ein normales Vorgehen waren. Scientology-Vertreter waren einzelnen Demonstranten bis nach Hause gefolgt und hatten sie »religiöser Hetze« beschuldigt. Bei der März-Kundgebung in Los Angeles
Weitere Kostenlose Bücher