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Inside Anonymous: Aus dem Innenleben des globalen Cyber-Aufstands (German Edition)

Inside Anonymous: Aus dem Innenleben des globalen Cyber-Aufstands (German Edition)

Titel: Inside Anonymous: Aus dem Innenleben des globalen Cyber-Aufstands (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Parmy Olson
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gewünscht hätte – dass er aus Puerto Rico komme, wo seine Mutter eine engagierte Politikerin gewesen sei, dass er im realen Leben verheiratet und »beruflich sehr erfolgreich« sei. In Wirklichkeit war er arbeitslos, unsicher und wusste kaum, wie er seine Familie ernähren sollte.
    Sabus richtiger Name lautete Hector Xavier Monsegur. Er wohnte in einer Sozialwohnsiedlung in der Lower East Side von New York. Mit seiner Sozialhilfe musste er fünf Brüder, eine Schwester, zwei Nichten, deren Vormund er war, und einen weißen Pitbull namens China durchbringen. Monsegur bezeichnete die beiden Mädchen, die 2012 sieben und zwölf Jahre alt waren, als seine Töchter. Er war puerto-ricanischer Abstammung und ein überzeugter Linksaktivist. Als Kind lauschte er den Geschichten über die Revolte von El Grito de Lares und sagte seiner Familie, dass er eines Tages seine eigene Revolution machen werde.
    Monsegur wurde 1983 in New York geboren und wuchs in relativer Armut auf. Sein Vater, der ebenfalls Hector hieß, und seine Tante Iris dealten auf der Straße mit Heroin. Als Monsegur vierzehn war, wurden die beiden wegen Drogenhandels festgenommen und zu sieben Jahren Haft verurteilt. Monsegur zog daraufhin zu seiner Großmutter Irma in eine Wohnung im sechsten Stock der Jacob-Riis-Sozialwohnsiedlung in der Lower East Side New Yorks.
    Hier entdeckte er The Anarchist’s Cookbook (» Das Anarchistenkochbuch «), einen berüchtigten Ratgeber von 1971, der Tipps gab, wie man umsonst telefoniert oder Napalmbomben aus Seife herstellt. Seine Großmutter konnte sich keine schnelle Internetverbindung leisten, also folgte der junge Monsegur den Instruktionen, wie man den Familiencomputer umsonst an den Netzprovider EarthLink anschließen konnte. Bei seinen Entdeckungsreisen im Netz stieß er auch auf das EFnet, ein IRC-Netzwerk mit angeschlossenem Archiv, das bei Hackern beliebt war. Kayla sollte sich ihm einige Jahre später anschließen. Hier stieß Monsegur auf einen Online-Essay des berüchtigten Hackers Mentor, der in den achtziger Jahren aktiv gewesen war. Der Essay hieß The Hacker’s Manifesto (» Das Hacker-Manifest «), und Monsegur fühlte sich von diesem Text stärker angesprochen als von allem anderen, was er je im Netz gelesen hatte.
    Mentor, mit wirklichem Namen Lloyd Blankenship, hatte ihn aus einer Laune heraus am 8. Januar 1986 geschrieben, nur wenige Stunden bevor die Polizei ihn als Computerhacker festnahm. »Hast du, mit deiner starren Psychologie und deinem Fünfzigerjahre-Technohirn, je in den Kopf eines Hackers hineingesehen? Ich bin ein Hacker, komm in meine Welt ...« »O Mann«, seufzte Monsegur Jahre später, als er bei einem Interview davon erzählte. »Diese Worte haben mich zu dem gemacht, der ich heute bin.« Besonders die letzte Zeile des Manifests sprach ihn an: »Mein Verbrechen ist, dass ich schlauer bin als ihr, und das werdet ihr mir nie verzeihen.«
    Die Vorstellung, dass Autoritätsfiguren aller Art, von den Lehrern bis zu den Medien, das wahre Talent des Hackers nicht erkannten, konnte Monsegur nur zu gut nachvollziehen. Als junger Latino aus den »projects«, den Sozialwohnungssiedlungen, aus einer Familie, in der mit Drogen gehandelt wurde, passte er nicht zum gängigen Bild vom Computer-Nerd. Er hatte eigentlich nur mit Menschen zu tun, die seine Fähigkeiten nicht erkannten.
    Aber er wollte lernen. Nachdem er seiner Familie einen kostenlosen Internetzugang verschafft hatte, suchte er nach einer neuen Herausforderung. Er las Texte im Netz, experimentierte und fragte einige Nutzer auf IRC-Netzwerken wie EFnet um Rat. Schon mit vierzehn Jahren hatte er sich selbst das Programmieren in Linux und Unix sowie das Open-Source-Networking beigebracht.
    Außerhalb der Schule gab Monsegur mit seinen Fähigkeiten an: Er trat einem örtlichen Ausbildungsprogramm für talentierte junge Programmierer bei, dem NPower NY Technology Service Corps, und sammelte praktische Erfahrungen als Internetsicherheitsrechercheur im Welfare Law Center. Mit achtzehn Jahren hatte er ein technisches Praktikum beim Mentorenprogramm iMentor absolviert.
    Inzwischen war er zu einem großen, breitschultrigen jungen Mann herangewachsen, der sich von Autoritätsfiguren nichts gefallen ließ.
    Laut einem Aufsatz, den Monsegur, damals noch ein Teenager, im August 2001 verfasste, kulminierte diese Einstellung in einem Vorfall an seiner Schule, der Washington Irving High School in Manhattan. Er arbeitete während der Unterrichtszeit

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