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Inside Anonymous: Aus dem Innenleben des globalen Cyber-Aufstands (German Edition)

Inside Anonymous: Aus dem Innenleben des globalen Cyber-Aufstands (German Edition)

Titel: Inside Anonymous: Aus dem Innenleben des globalen Cyber-Aufstands (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Parmy Olson
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im Auftrag der Schule daran, auf den, wie er sie nannte, »veralteten« Schulrechnern Windows zu installieren. Beim Passieren des Metalldetektors am Schuleingang wurde er eines Tages vom Sicherheitschef aufgehalten, der den von Monsegur mitgeführten Schraubenzieher beanstandete. »Ich bin der Typ, der euer System wieder in Ordnung bringt, wenn ihr wieder vergesst, komische .exe-Dateien auszuführen«, habe er gesagt, so erinnert er sich. »Spiel dich mal nicht auf, Junge«, erwiderte der Sicherheitschef und fixierte ihn. Monsegur wiederholte seine Erklärung, er sei ein Schüler, der während der Unterrichtszeit die defekten Computer der Schule repariere. Der Sicherheitschef nahm ihm den Schraubenzieher ab.
    »Danke«, sagte er. »Den behalte ich.«
    Gedemütigt und wütend schrieb Monsegur eine Beschwerde an die Schulleitung, in der er den Sicherheitschef der »körperlichen Bestrafung« und der »Respektlosigkeit« beschuldigte. Als die Beschwerde zu nichts führte, verteilte er ein »umstrittenes Schriftstück« an seine Lehrer. Daraufhin kam der Schuldirektor in seine Klasse und bat ihn auf ein Wort hinaus. Er und die anderen Mitglieder der Schulleitung, so der Direktor, fänden Monsegurs Schreiben bedrohlich. »Der Typ versucht, mich niederzustarren«, schrieb Monsegur in seinem Aufsatz. »Demütigt mich körperlich vor Dutzenden von Schülern. Was ist mit meiner Beschwerde? Wo ist die Gerechtigkeit, die ich verlange?«
    Monsegur fühlte sich betrogen. Einige Wochen später rief ihn ein Lehrer an, der laut Monsegur gesagt haben soll, er sei »zeitweilig der Schule verwiesen«. Monsegur erwiderte: »Wie Sie wollen. Es ist eine Schande, dass jemandem wie mir die Ausbildung vorenthalten wird, nur wegen dem, was ich geschrieben habe.« Bevor der Lehrer antworten konnte, legte Monsegur auf. Das Jugendamt verlangte anschließend, dass er von einem Psychologen seinen Geisteszustand untersuchen ließ. Monsegur gibt an, den psychologischen Test bestanden zu haben, verließ aber die High School in der neunten Klasse ohne Abschluss.
    Im Internet konnte er seinen Ehrgeiz ausleben und die »Missachtung« durch Autoritätsfiguren umgehen. Inzwischen hatte er sich beigebracht, wie man in die Netzserver großer Organisationen einbrach, von japanischen Universitäten bis hin zu Regierungen von Dritte-Welt-Ländern. Monsegur gefiel das prickelnde Gefühl, ein Computersystem in seine Gewalt zu bringen, und bald galten seine Bemühungen nicht mehr ihrem Schutz wie während seiner Praktika, sondern er hackte sie in seiner Freizeit.
    Mit sechzehn Jahren sah er in den Fernsehnachrichten einen Beitrag über Protestdemonstrationen auf der Insel Vieques vor der Küste Puerto Ricos. Die US-Marine benutzte die umliegenden Gewässer als Bombentestgebiet, und ein Jahr zuvor, 1999, hatte ein Fehlschuss einen einheimischen Wachmann getötet. Das Begräbnis des Todesopfers erregte weltweit Aufmerksamkeit und löste eine Welle von Protesten gegen die Bombentests aus. In den Nachrichtenbildern sah Monsegur, wie Soldaten die Menge zurückdrängten. Unter den Demonstranten war auch der Pfarrer Al Sharpton aus New York, der Monsegur ein Begriff war, seit er sich für linken politischen Aktivismus interessierte. Er fasste einen Entschluss.
    Monsegur setzte sich vor seinen Rechner und rief eine Netzwerkkarte des IP-Adressraums Puerto Rico auf. Damit konnte er feststellen, dass eine Firma namens EduPro alle Regierungswebseiten der Insel betrieb. Er hackte sich in die Server, fand das Passwort für den Root-Zugang heraus und verschaffte sich damit Administratorenstatus. In der Hitze des Gefechts verfasste er eine wütende Botschaft auf Microsoft Word, ohne sich an seinen Tippfehlern zu stören: »Gebt uns den respekt der uns zusteht«, schrieb er. »Oder sollen wir ihn uns mit Gewalt holen? Cabron.« Mit dieser Botschaft ersetzte er sämtliche Regierungswebseiten Puerto Ricos, und zwar mehrere Tage lang. Monsegur war stolz auf das, was er als seinen ersten erfolgreichen Hacktivisten-Anschlag betrachtete. Als das US-Militär seinen Stützpunkt auf Vieques zwei Wochen später aufgab, konnte er sich sagen, dass er an diesem Erfolg Anteil hatte.
    Monsegur wollte weitermachen. Er wurde zum eifrigen Hacker und stürzte sich in die ersten Anfänge des Internetkriegs zwischen amerikanischen und chinesischen Hackern. Die bestanden hauptsächlich darin, dass junge Männer aus beiden Ländern einander im Netz beschimpften und Webseiten des jeweiligen Gegners

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