Inside Anonymous: Aus dem Innenleben des globalen Cyber-Aufstands (German Edition)
/rs/-Chatroom von 4chan heruntergeladen hatten.
Topiary hatte in einige der Operationen hereingeschaut, die kurz nach den Angriffen auf PayPal und MasterCard begonnen hatten. Als er Ende Dezember im #operationpayback-Chatroom lurkte, fiel ihm auf, dass einige Nutzer sich mit jemandem namens ‚k unterhielten. »Dann bist du also DIE Kayla?«, fragte einer. Es ging um einen Vorfall auf 4chan im Jahr 2008 – jemand hatte /b/ unter seine Kontrolle gebracht und das Forum mit dem ständig wiederholten Text »Kayla <3« vollgestopft. ‚k bejahte und fügte einen Smiley hinzu. Ein weiterer Teilnehmer namens Sabu lurkte im Hintergrund, sagte nichts und hörte nur zu.
Sabu und Kayla hatten sich bald in einen anderen geheimen Chatroom verabschiedet, der allmählich #command als Zentrale von Anonymous ablöste: #InternetFeds. Dieser Chatroom war so geheim, dass er nicht einmal zum AnonOps-Netzwerk gehörte, sondern sich angeblich auf dem Server eines Hardcore-Hacktivisten namens Q befand. Ungefähr 30 Personen hatten dort Zugang, die meisten auf Einladung. Sabu, Kayla und Tflow gehörten dazu, einige der ursprünglichen AnonOps-Betreiber und ein oder zwei Botmaster. Die meisten waren geübte Hacker.
Hier konnten sie sich über die Schwachstellen austauschen, die sie an Servern der amerikanischen Grünen, der Harvard-Universität oder des CERN-Forschungszentrums in Genf gefunden hatten. Sabu schickte sogar eine Liste sogenannter Exploits – eine Befehlsfolge, die eine Sicherheitslücke ausnutzte – an mehrere iPhones, die jeder verwenden konnte. Sie überlegten sich Ziele für zukünftige Operationen: Adrian Lamo, den Hacker, der den WikiLeaks-Informanten Bradley Manning verraten hatte, oder den abtrünnigen Botmaster Switch. »Wenn jemand seine wahre Identität rauskriegt«, schrieb Kayla, »komme ich an seine Sozialversicherungsnummer, und dann machen wir ihm das Leben zur Hölle.« Wer Kayla noch nicht kannte, gewann den Eindruck, dass sie ziemlich rachsüchtig war.
Als die Teilnehmer von #InternetFeds einander besser kennenlernten, merkten sie auch, dass Sabu derjenige mit dem größten Selbstbewusstsein, den ausgeprägtesten Meinungen und dem stärksten Führungswillen war. Sabu, der gute Verbindungen zur Untergrund-Hackerszene hatte, wollte gerne in die gute alte Zeit der sogenannten AntiSecurity-Bewegung zurück, und allmählich ging ihm auf, dass das mit einer Elitegruppe fähiger Anons wie Kayla, Topiary und Tflow tatsächlich möglich war. Das Ungewöhnliche daran ist, dass Sabu zwar durch seine Handlungen seine Rhetorik immer mehr Lügen strafte, trotzdem aber zum angesehensten Revolutionshelden von Anonymous wurde.
Kapitel 9: Der Revolutionär
Es wäre vielleicht nie zu Sabus dramatischer Beteiligung an Anonymous gekommen, wenn er nicht eine wichtige Einladung erhalten hätte: Mitte Dezember 2011 bat Tflow den achtundzwanzigjährigen New Yorker Hacker, der eine lange Liste an Vorstrafen vorzuweisen hatte, in den Chatroom #InternetFeds. In diesem Chatroom begegnete Sabu dann Kayla und weiteren Hackern, die ihm helfen sollten, Myriaden anderer Ziele anzugreifen, um die Revolution voranzubringen. Bis jetzt waren die Ziele der Anonymous-Angriffe von den Umständen diktiert worden: Chanology war Tom Cruise zu verdanken; Operation Payback war eine Rache an den Verfolgern von WikiLeaks. Aber Sabu wollte, dass aus Anonymous mehr würde als nur ein paar Kids, die Hacker spielten. Er wollte, dass Anonymous die Welt veränderte.
Sabu war ein Cyberpunk der alten Schule. Er benutzte keine Wörter wie »Moralschwuchtel« oder »Lulz« und war kein 4chan-User. Er brach in Netzwerke ein und genoss seinen anschließenden Triumph. Er kaperte lieber einen ganzen Internet-Service-Provider (ISP), als irgendwelchen Scientologen Streiche zu spielen. Während 4chan-Trolle wie William einfach nur ihren Spaß wollten, egal wie, ging es Sabu darum, ein Held zu werden, indem er Obrigkeit und Autoritäten ein bisschen kleiner aussehen ließ. Große Ziele und große Worte machten ihm keine Angst. In seinen zehn Jahren als Untergrundhacker hatte er nach eigenen Angaben schon die Domain-Namenssysteme der Regierungen von Saudi-Arabien, Puerto Rico, der Bahamas und Indonesiens unter seine Kontrolle gebracht.
Man wusste, dass Sabu oft übertrieb, und andere Hacker betrachteten seine Behauptungen skeptisch. Er war zwar begabt und erfahren, log aber oft über seinen Lebenslauf und erzählte den Leuten, was er sich vielleicht für sich selbst
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