Inside Anonymous: Aus dem Innenleben des globalen Cyber-Aufstands (German Edition)
defaceten. Operation China fand 2001 statt, im selben Jahr, als Monsegur die High School verlassen musste. Damals gab es eine politische Krise, weil die Chinesen sich weigerten, ein amerikanisches Spionageflugzeug herauszugeben, das mit einem chinesischen Kampfjet kollidiert und auf der Insel Hainan notgelandet war. Die Besatzung des US-Flugzeugs wurde elf Tage lang festgehalten, und in dieser Zeit brachen einige unerschrockene Computerhacker wie Monsegur in Hunderte chinesischer Webseiten ein und defaceten sie mit Botschaften wie »Wir hassen China auf ewig«. Chinesische Hacker schlugen zurück mit Defacements wie: »Nieder mit dem US-Imperialismus!«
Damals bediente sich Monsegur bereits des Spitznamens Sabu. Er hatte ihn von einem gleichnamigen Wrestler der neunziger Jahre übernommen, der damals wegen seiner extremen Kampftechnik bekannt war. Dieser Sabu betonte seinen Status als Angehöriger einer Minderheit, indem er behauptete, aus Saudi-Arabien zu stammen, obwohl er in Wirklichkeit aus Detroit kam und libanesische Vorfahren hatte. Ähnlich behauptete Monsegur jetzt, in Puerto Rico geboren und aufgewachsen zu sein.
Die Hackergruppe, zu der Monsegur gehörte, nannte sich Hackweiser und war 1999 von einem begabten kanadischen Hacker namens P4ntera gegründet worden. Als Monsegur sich ihr anschloss, umfasste sie zehn bis fünfzehn Mitglieder. Seine Rolle in der Gruppe war schon dieselbe, die er auch ein Jahrzehnt später wieder spielte: Er hackte sich in so viele Server ein, wie er nur konnte, und verschaffte sich Root-Zugang. Im Jahr 2001, nachdem Sabu mehrere Monate lang von den Mitstreitern bei Hackweiser gelernt hatte, verschwand P4ntera plötzlich. Monsegur wurde klar, dass auch er verhaftet werden konnte, wenn selbst der charismatische Anführer der Gruppe nicht sicher war. Er kämpfte mit seinem Geltungsdrang. Er fand es zwar großartig, dass »Sabu« für seine kühnen Hackerangriffe berühmt wurde, aber er wollte nicht ins Gefängnis.
»Wir Menschen leiden an unserem Ich«, erzählte Sabu später. »Wir haben alle den Drang nach Anerkennung.« Aber Monsegur überwand sich, auf Nummer sicher zu gehen. Er verwendete den Spitznamen Sabu nicht mehr öffentlich und ging die nächsten neun Jahre in den Untergrund. Wenn »Sabu« in dieser Zeit jemals im Netz auftauchte, dann nur in abgeschlossenen Chatrooms. Außerdem versuchte er, seine Kenntnisse als Programmierer für legale Zwecke zu nutzen.
Im Jahr 2002 gründete er eine Gruppe für örtliche Programmierer, die in Python schrieben, einer populären Programmiersprache. Er stellte sich mit seinem richtigen Namen Xavier Monsegur vor und lud alle Interessierten ein, »ihr Wissen zu einem großen haarigen Knäuel aus Informationen zu verbinden«. Die Seite, an der er arbeitete, sei »fast [sic] fertig, was das Layout angeht ... Es geht um uns, unser Wissen, unsere Ideen, einfach um den Spaß an dem, was wir haben und was wir können.«
Der gesellige Programmierer arbeitete dann als freier Mitarbeiter für eine schwedische Internetsicherheitsfirma namens Tiger Team, anschließend für die Peer-to-Peer-Filesharing-Firma LimeWire. Er wohnte immer noch bei seiner Großmutter und half den Nachbarn im Wohnblock mit seinen Hackerkenntnissen, ihre Kreditwürdigkeitsbewertungen heraufzusetzen. So kam sporadisch Geld aus legalen und illegalen Quellen herein; manchmal verkaufte er auch als Straßendealer Marihuana oder hackte sich in ein Netzwerk, um Kreditkartennummern zu stehlen.
Im Jahr 2010, als Monsegur sechsundzwanzig Jahre alt war, kamen dann auf einmal Probleme auf ihn zu. Sein Vater und seine Tante Iris hatten inzwischen ihre Haftzeit hinter sich, aber die Tante wurde jetzt erneut verhaftet, weil sie mit Heroin gedealt hatte. Monsegur nahm ihre beiden Töchter auf und erhielt das Sorgerecht. Ungefähr zur selben Zeit verlor er seinen Job bei LimeWire, weil die Musik-Urheberrechtsorganisation RIAA von der Firma 105 Millionen Dollar Schadensersatz einklagte und LimeWire infolgedessen Beschäftigte entlassen musste. Noch schlimmer war, dass Monsegurs Großmutter starb, bei der gewohnt hatte, seit er vierzehn war. »Das hat ihn aus der Bahn geworfen«, erzählte ein Familienangehöriger später der New York Times .
Monsegurs Verhalten wurde extremer. Er hackte sich in die Webseiten von Autoherstellern ein, um Motoren zu bestellen, und störte die Nachtruhe seiner Nachbarn durch laute Musik bis um vier Uhr morgens. Monsegur war arbeitslos und ohne Ziel im
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