Inside Polizei
Patricks Hundertschaft erste Einsätze an, überwiegend Sanitätseinsätze wegen Hitze, Alkohol- und Drogenkonsum, und auch erste Drogenverhaftungen wurden durchgeführt. Durch vereinzelte Stürze in der Menge und dabei entstandene Verletzungen wie Stauchungen oder Brüche füllten sich die aufgebauten Erste-Hilfe-Zelte. Nichts Ungewöhnliches bei einer solchen Veranstaltung und dem Menschenandrang. Es lief noch alles wie vorgesehen und geplant – noch!
Während einer taktischen Verschiebung seiner Einheit bewegte sich Patrick in der Nähe des Tunnels und blickte den in die dunkle Röhre strömenden Menschenmassen nach. Ein dumpfes und beklemmendes Gefühl überkam ihn, er war froh, nicht in diesem Nadelöhr eingesetzt zu sein. Was würde passieren, sollte sich dort eine größere Schlägerei entwickeln oder eine Panik ausbrechen? Wohin dann mit den Menschenmassen?
Der Tunnel war von beiden Seiten zugänglich, und in der Mitte der Röhre trafen wie vorgeplant beide Besucherströme aufeinander, mündeten in einer T-Kreuzung, die zu dem einzigen Zugang zum Veranstaltungsgelände führte, der Rampe. Und ja, nahmen die eingesetzten Polizisten erschrocken zur Kenntnis, sie hatten es richtig verstanden. Diese Rampe, dieses Nadelöhr war wirklich auch als einziger Ausgang vorgesehen. Es gab zwar noch einen kleineren Zugang, aber dieser war vorerst gesperrt.
Die ersten Menschenstaus bildeten sich bereits gegen 14.00 Uhr in ihrem Abschnitt und sorgten für Ärger und laute Unmutsäußerungen in Richtung der Ordner und absperrenden Polizisten. Aber auch das gehörte zur Routine bei Massenveranstaltungen. Ulrike und Patrick gingen wie fast alle Einsatzkräfte damit um: Sie überhörten Vorwürfe, Flüche und Beschimpfungen. Zum einen Ohr rein, zum anderen raus ... Doch die Unruhe in den Besucherströmen und der sich stauenden Massen wuchs unaufhaltsam und schaukelte sich hoch. Bereitgestellte Absperrgitter wurden auf die Straßen vor dem Tunnel gezogen und verbarrikadierten den Weg zum Veranstaltungsort. Diese Maßnahmen waren nötig geworden, da andere Abschnitte, insbesondere die Einsatzkräfte im Eingangs- und Tunnelbereich, von einem zu großen Druck in ihrem Bereich sprachen und sich von dieser Handlung eine Entspannung in den kritischen Bereichen erhofften. Die Raver fluchten zwar und schimpften auf die Scheißorganisation, aber noch ließ sich das aufziehende Chaos beherrschen und lenken, noch.
Patrick beruhigte seine aufkommende Unruhe derweil damit, dass solche Eventualitäten in dem über Monate erarbeiteten Sicherheitskonzept sicherlich berücksichtigt worden waren und die Einsatzleitung über verschiedene Lösungsoptionen verfügte. Sämtliche Worst-Case-Szenarien waren bestimmt so lange durchgespielt worden, bis ein zufriedenstellendes Ergebnis zustande gekommen war. Schließlich fand die Loveparade ja nicht in irgendeiner Bananenrepublik statt, sondern in Deutschland. Und außerdem näherte sich seine Frühschicht langsam dem Ende, und sie sollten bald gegen neue, frische Kräfte ausgetauscht werden. Dies alles war dann deren Problem. Und genau so geschah es auch. Patricks Hundertschaft wurde trotz der unübersichtlichen Menschenmassen, der Staus und des dichten Gedränges wie geplant abgelöst und von anderen NRW-Kräften ersetzt. Sammelpunkt für seine Einheit war eine in der Nähe befindliche Kaserne. Doch die sehnlichst erwartete Entlassung aus dem Einsatz ließ auf sich warten. Ganze Hundertschaften wurden in Bereitschaft und Reserve gelegt? Warum? Wusste die Einsatzführung mehr als sie? Patrick beschäftigte zudem noch eine ganz andere, persönliche Überlegung: Würde er es rechtzeitig zu seinem Date nach Hause schaffen?
Die Tragödie der folgenden Minuten geschah ohne direkte Beteiligung von Patricks und Ulrikes Hundertschaft. Sie lagen weit abseits in Bereitschaft und warteten ungeduldig auf den sie aus dem Einsatzraum entlassenden Funkspruch der Einsatzleitung. Während nur ein paar Hundert Meter von ihnen entfernt Besucher um ihr Leben kämpften und immer mehr Menschen diesen Kampf verloren.
Noch bevor durch abgesperrte Zugangswege eine Entspannung im Tunnelbereich eintreten konnte, überrannte die aufgestaute Menge die Sperren der Polizei. Kurz darauf löste sich eine andere Polizeikette im Tunnel selbst auf, da sie nicht mehr zu halten war. Besucherströme drängten in Richtung des Partygeländes und erhöhten den bereits vorhandenen Druck im Tunnel um ein Vielfaches. Erste Besucher stürzten,
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