Inside Polizei
wurden überrannt und verletzt.
Bis heute wird staatsanwaltlich ermittelt und intern kontrovers diskutiert, ob Polizeieinheiten eigenmächtig weitere Sperren aufhoben oder nicht genügend gegen die andrängende Menge verteidigt hatten.
Die ausgiebigen Absperrungen um das Veranstaltungsgelände herum stellten nach Patricks Einschätzung einen weiteren verhängnisvollen Fehler des sogenannten Sicherheitskonzeptes dar. Den Verantwortlichen war bewusst, wie heikel die Durchführung des Großereignisses war. Die zahlreichen Warnungen von Polizeiexperten und Verwaltungsbeamten bei Vorgesprächen sind nach der Katastrophe umfangreich in zahlreichen Nachrichtenportalen dokumentiert und zeugen dort unwidersprochen von einem schon kriminellen Verhalten der Organisatoren und der städtisch handelnden Personen. Ihnen schwante zu Recht Böses bei einem Partygelände mit einer behördlichen Genehmigung für lediglich 250 000 Besucher und einem angekündigten Besucherstrom von einer Million Ravern. (Nach der Katastrophe wollten die Verantwortlichen von den über Monate kommunizierten erwarteten Besuchermassen nichts mehr wissen und kürzten die angeblich erwartete Personenzahl auf 500 000. Warum sollte man ihnen diese aus dem Hut gezauberten Zahlen jetzt noch glauben? Doch selbst bei angenommenen 500 000 Besuchern hätten sich die Feiernden auf dem eingezäunten Partygelände trotzdem einmal komplett durchtauschen müssen. Allein, unorganisiert, desorientiert und alkoholisiert. Dies kann keine seriöse Planung ernsthaft in Erwägung ziehen.)
Die zahlreichen errichteten Sperren dienten bewusst als Wellenbrecher und sollten das Durchtauschkonzept der feiernden Massen auf dem Partygelände ermöglichen. Es muss den Handelnden bewusst gewesen sein, dass diese Duisburger Loveparade maßgeblich geprägt werden würde von polizeilichen Absperrungen, Kontrollposten und sich stauenden Menschenmassen, denen der Zutritt zum Veranstaltungsgelände verwehrt war. Diese Situation musste unweigerlich entstehen, um dem erkannten Nadelöhr des Tunnels und des einzigen Zuganges auch nur halbwegs eine Entlastung zu gewähren. Und dies, obwohl jene Handlungsweise auch fundamental dem Ursprungsgedanken und den Grundwerten der anfänglichen Loveparade des Sommers 1989 widersprach. Ein Event, welches wie kein zweites in Deutschland für Freiheit, Ausgelassenheit und Lebensfreude ohne Reglementismus und staatliche Eingriffe stand. Deutschlands Woodstock der Moderne, bevor es Opfer einer gnadenlosen Kommerzialisierung wurde.
Auch schon in Woodstock ließen sich Besucherströme nicht beherrschen, lenken und kanalisieren. Sie wählten den direkten Weg zum Festival und trampelten errichtete Zäune schlicht nieder. Und doch setzte das genehmigte Duisburger Sicherheitskonzept in seinem Kern auf schikanös wirkende Absperrungen. Duisburg wurde zur Hochsicherheitszone ausgebaut und stellte die anreisenden Partymassen vor vollendete Tatsachen.
Die Veranstalter lockten Hunderttausende junge Menschen nach Duisburg mit dem Versprechen, Teil der größten Party der Welt zu werden. Hinweise auf zwangsweise Stauungen in der prallen Mittagshitze ohne ausreichende Getränke, Toiletten und, ganz entscheidend, ohne ihre geliebte Musik fehlten auf den bunten Flyern komplett. Den Organisatoren muss bewusst gewesen sein, wie schnell und unverhofft so eine frustrierende Situation eskalieren konnte. Dass sich die jungen Wartenden, teilweise alkoholisiert und berauscht, nicht endlos gegen ihren Willen vom Partygelände fernhalten ließen. Wie sollten die eingesetzten Polizisten auf einen Ausbruchversuch der Massen verhältnismäßig reagieren?
Jede Absperrung einer Polizeieinheit stellt eine rote Linie dar, die im Notfall gehalten und verteidigt werden muss. Im Umkehrschluss erwiese sich ja sonst das ganze, sich auf umfangreiche Absperrmaßnahmen beruhende Sicherheitskonzept als leere Hülle. Welches in sich gänzlich zusammenbricht, mit Szenarien, die nicht länger beherrschbar wären. Eine polizeiliche Sperre muss mit allen Mitteln gehalten werden, mit allen situationsbedingten erforderlichen Konsequenzen. So etwa eine Absperrung zum Nobel-Tagungshotel eines G-8-Gipfels. Oder eine Polizeikette vor den Glaspalästen eines Bankenviertels anlässlich von Krawallen Autonomer oder vor einer aufs Spielfeld drängenden Hooligan-Meute in einem Fußballstadion. Jede dieser Ketten ist ein fester Bestandteil der Sicherheitsmaßnahmen und muss entsprechend entschlossen verteidigt
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