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Inside Steuerfahndung: Ein Steuerfahnder verrät erstmals die Methoden und Geheimnisse der Behörde (German Edition)

Inside Steuerfahndung: Ein Steuerfahnder verrät erstmals die Methoden und Geheimnisse der Behörde (German Edition)

Titel: Inside Steuerfahndung: Ein Steuerfahnder verrät erstmals die Methoden und Geheimnisse der Behörde (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Wehrheim , Michael Gösele
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Verrechnungsschecks waren und sind selbstverständlich legale Zahlungsmittel.
    Uns erschien es merkwürdig, dass Zahnärzte die Goldstücke, die sie ihren Patienten entfernt hatten, so einfach für sich behalten konnten. Erfahrungsgemäß fragen nur die wenigsten Patienten nach ihren Kronen oder Inlays – ob das nun an der besonderen Situation auf dem Zahnarztstuhl liegt oder an der Betäubung – wir wissen es nicht. Ich selbst konnte erleben, dass dies von den Zahnärzten, die mich im Laufe der Jahre behandelt hatten, sehr unterschiedlich gehandhabt wurde. Mal legte man mir tatsächlich mein Zahngold in einer kleinen Dose hin, mal verschwand das Edelmetall auf wundersame Weise – und ich bin davon überzeugt, dass es nie im Abfall landete.
    Fakt ist, dass alles, was ein Zahnarzt in seiner Praxis erwirtschaftet, auch in der Buchhaltung auftauchen und am Ende versteuert werden muss. Das geschah in vielen Fällen jedoch nicht. Gut laufende Praxen mit eigenem Labor und auch Dentallabore konnten allein auf diese Weise pro Jahr Zahngold im Wert von bis zu 10 000 Euro sammeln, was steuerrechtlich über zehn Jahre gerechnet mehr als 100 000 Euro einbrachte. Es versteht sich von selbst, dass diese Gelder in aller Regel – da ohne Verbuchung vereinnahmt – in ausländischen Banken lagen und somit auch am Fiskus vorbei verzinst wurden. Ein hübsches Taschengeld. Aber es ging noch weiter. Im Laufe der Jahre deckte die Steuerfahndung noch ganz andere Machenschaften der Dentalbranche auf.
    Im Laufe unserer Ermittlungen stellte sich heraus, dass Zahnärzte häufig auf Betriebskosten Gold einkauften, das nie in der Praxis verarbeitet wurde. Gerne im Dezember, wenn der betreffende Arzt feststellte, dass er seine satten Gewinne noch ein wenig über die Betriebskosten drücken konnte. Ein Kilo Zahngold pro Jahr, 30 Jahre lang im Tresor gesammelt und am Ende der Karriere zum Scheiden gegeben, ergab rund 25 Kilogramm Feingold und somit einen feinen Rentenzuschuss in Höhe von einer Million Mark, der nicht nur über die Jahre hinweg die Steuerbelastung der Praxis drückte, sondern auch bei der finalen Gutschrift durch die Scheideanstalt in Gestalt eines Verrechnungsschecks oder in bei jeder Bank zu tauschenden Goldbarren erfolgte. Es dürfte klar sein, dass dies nicht in den Büchern auftauchte.
    Weitere Ermittlungen und Überprüfungen haben dann ergeben, dass sich der eine oder andere Zahnarzt gar nicht erst die Mühe gemacht hat, den umständlichen Weg über das Zahngold zu gehen, sondern direkt barrenweise Feingold eingekauft hat – über die Praxisbücher. Den Betriebsprüfern wurde immer wieder weisgemacht, dass dieses Gold in der Praxis verarbeitet werden würde, was die Prüfer in der Regel auch über Jahre so hingenommen haben. Und genau an diesem Beispiel offenbaren sich die signifikanten Unterschiede zwischen Finanzbeamten, Betriebsprüfern und Steuerfahndern. Während der durchschnittliche Finanzbeamte sein Leben lang Steuerunterlagen in der Behörde sichtet, prüft und kontrolliert, ist der Betriebsprüfer zwar in der Regel vor Ort, er untersucht jedoch nach Voranmeldung die Buchhaltungen von Unternehmen, um Unstimmigkeiten zu finden. Die Steuerfahnder dagegen erscheinen unangemeldet, mit einem Durchsuchungsbeschluss, und können direkt Einblick in sämtliche vorhandene Unterlagen nehmen.
    Ein guter Steuerfahnder verfügt über mindestens genau so viel kriminelle Fantasie wie seine Gegner. Mit dem einen, entscheidenden Unterschied: Er stellt dieses Potenzial dem Staat zur Verfügung, um Steuersünder zu überführen. Der Gegner indes stammt nur selten aus dem klassischen kriminellen Milieu. Er trägt häufig weiße, gestärkte Hemdkragen – neudeutsch »White-Collar-Krimineller« –, trägt teure Uhren und fährt schnelle Autos. Oder wohnt ganz einfach nebenan: gut bürgerlich, bisweilen spießig, fleißig, unbescholten – der typische Deutsche.
    Die Fahndung des Finanzamtes Frankfurt konnte bei einer Wohnungsdurchsuchung sogar einen Schmelzofen finden. Darin hatten ganz findige Steuerexperten Gold bei 1064 Grad Celsius selbst eingeschmolzen. Man fuhr in die Benelux-Staaten, kaufte dort Gold – frei von Mehrwertsteuer – und schmolz diese kleinen Barren in dem Ofen ein. Man warf ein wenig Silber dazu, ein paar Schlüsselrohlinge oder Kupfer-Blumentöpfe, damit ein paar Beimetalle enthalten waren, gab diese Mischung dann in eine Scheideanstalt und kassierte den Wert des Goldes als Gutschrift inklusive

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