Inside Steuerfahndung: Ein Steuerfahnder verrät erstmals die Methoden und Geheimnisse der Behörde (German Edition)
ermäßigt oder der Steuervorteil aus anderen Gründen hätte beansprucht werden können.«
Ich selbst hatte in Fällen wie dem des Installateurs nie dieselbe kriminelle Energie entdecken können, die andere Verbrecher an den Tag gelegt haben – mit denen er im schlimmsten Fall seine Zelle hätte teilen müssen. Den Schaden, den er durch seine jahrelangen Mauscheleien am Gemeinwohl angerichtet hatte, habe ich sehr wohl gesehen. Aber war das nun tatsächlich ein Mensch, den man vor einem deutschen Amtsgericht verurteilen und temporär von der Gesellschaft ausschließen musste? Den man in ein Gefängnis schicken oder mit dem Stigma einer Vorstrafe brandmarken musste?
Ein teurer Spaß
In allen Fällen sind strafrechtlich die vergangenen fünf Jahre relevant, während man steuerrechtlich für zehn Jahre zur Verantwortung gezogen wird. Ein Beispiel soll verdeutlichen, wie im Falle einer festgestellten Steuerhinterziehung gerechnet wird.
Angenommen, ein Unternehmer hat zwischen 1999 und 2008 jährlich 50 000 Euro Steuern hinterzogen – also rund 100 000 Euro Einnahmen pro Jahr nicht beim Finanzamt angegeben. In diesem Fall würden die geänderten, neuen Steuerbescheide im April 2010 ergehen und die Rechnung würde wie folgt aussehen:
Steuer
Zinsen
(pro Jahr 6 %
plus 4 Monate)
Betrag
1999: 50 000 Euro
64 %
32 000 Euro
2000: 50 000 Euro
58 %
29 000 Euro
2001: 50 000 Euro
52 %
26 000 Euro
2002: 50 000 Euro
46 %
23 000 Euro
2003: 50 000 Euro
40 %
20 000 Euro
2004: 50 000 Euro
34 %
17 000 Euro
2005: 50 000 Euro
28 %
14 000 Euro
2006: 50 000 Euro
22 %
11 000 Euro
2007: 50 000 Euro
16 %
8 000 Euro
2008: 50 000 Euro
10 %
5 000 Euro
Summe:
500 000 Euro Steuer
Zinsen: 185 000 Euro
Eine Rechnung, die es in sich hat. Insgesamt müsste dieser überführte Steuerhinterzieher aber mehr als 685 000 Euro nachzahlen, wenn ihm zusätzlich strafrechtlich noch die Jahre 2004 bis 2008 zur Last gelegt würden und somit auch noch eine Geldstrafe in beträchtlicher Höhe hinzukäme.
Für die zehn Jahre, die steuerrechtlich relevant sind, werden 6 Prozent Zinsen pro Jahr in Rechnung gestellt. Für 1999 kommen demgemäß 10 x 6 Prozent plus 4 Prozent (jeweils 1 Prozent) für die Monate Januar bis April im Jahr des neuen Steuerbescheids 2010 zusammen. Und von diesen 64 Prozent werden dann bis 2008 pro Jahr 6 Prozent Zinsen angesetzt, wie die Beispielrechnung zeigt.
Für unseren Handwerker kam eine Steuernachzahlung in Höhe von rund 500 000 Euro zusammen. Strafrechtlich wurden ihm 280 000 Euro zur Last gelegt, was am Ende zu einer Bewährungsstrafe führte. Dass die Ehefrau mit ihrer Anzeige auch noch den einen oder anderen örtlichen Unternehmer mit in den Strudel hineingezogen hat, sei nur am Rande erwähnt. Denn es ist natürlich klar, dass die Steuerfahnder bei der Vielzahl der fingierten Betriebskosten auch ein paar beteiligte Elektro- und Autohändler in der Region unter die Lupe nehmen mussten. Die Dame wird diese Konsequenzen bei ihrem Rachfeldzug nicht bedacht haben. Aber das war im Grunde nur ein kleiner Nebenkriegsschauplatz. Eine betrogene Ehefrau aus dem Großraum Kassel hat mit ihrer Anzeige am Ende eine ganze Branche ins Visier der bundesdeutschen Steuerfahndung gebracht.
Goldfinger – Das Geheimnis der Ärzte
Den Zahn gezogen
Es war keine besonders auffällige Geschichte in den »Fahndungsnachrichten«, dem bundesweiten Informationsblatt für Steuerfahnder. Dort berichtete ein Ermittler aus Kassel von dem Fall eines Zahnarztes. Dieser hatte – so brachte es seine verlassene Ehefrau zur Anzeige – über Jahre hinweg die Goldabfälle seiner Patienten gesammelt und am Ende jedes Jahres in eine »Scheideanstalt« gegeben, wo die Edelmetallkrümel geschmolzen und geschieden wurden. Der Arzt erhielt dann einen Verrechnungsscheck über den Wert des herausgeschmolzenen Goldes.
Der Fahnder in Kassel war der Ansicht, dass hinter diesem Fall ein sogenanntes Strickmuster stecken könnte und empfahl seinen Kollegen bundesweit, bei Zahnärzten und Dentallabors künftig etwas genauer hinzuschauen. Das wurde dann auch gemacht.
Zunächst hatte man jedoch versucht, die Scheideanstalten wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung zu belangen – schließlich boten diese den Service an, die angefallenen Beträge in Form von Verrechnungsschecks auszuzahlen, die von den Zahnärzten überall eingelöst werden konnten; damit tauchten die Beträge so gut wie nie in den offiziellen Büchern auf. Es blieb allerdings bei dem Versuch, denn
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