Inside Steuerfahndung: Ein Steuerfahnder verrät erstmals die Methoden und Geheimnisse der Behörde (German Edition)
Herzanfall bekommen. So etwas hatten wir schon häufig erlebt. Aber da man nie wissen konnte, wies ich sofort einen Kollegen an, den Notarzt zu rufen. Wie in so vielen Fällen führte die Ankündigung, einen Arzt herbeizurufen, auch bei dieser Frau zu einer Blitzgenesung, denn gerade in Villenvierteln wie diesen war man stets darauf bedacht, wenig Aufsehen zu erregen. Da wir es bereits am Vormittag vermieden hatten, auffällig Aktenkisten aus dem Haus zu tragen, besann sich die Dame wohl noch einmal und sah offenkundig ein, dass ein Notarztwagen mit Blaulicht und Sirene ihr die Publicity verschaffen würde, die sie in diesem besonderen Fall nicht haben wollte.
Im Schlafzimmer stand ein großer, blauer Müllsack – gefüllt mit geschredderten Dokumenten. Für diese waren wir also tatsächlich zu spät gekommen. Nach dem zweiten Bankschließfach befragt, machte der noch immer sehr freundliche Zahnarzt natürlich keine Angaben. Stattdessen führte er uns in den Keller, wo er nicht nur seine gut gefüllte Bar vorzeigte, sondern auch einen überaus edlen Billardtisch. Ich stellte einen meiner Kollegen auf eine Partie Billard ab, damit ich bei der weiteren Durchsuchung den Hausherrn aus dem Weg hatte. Nach der Durchsuchung solle man doch noch gepflegt einen kleinen Drink nehmen, schlug er vor, denn endlich sei mal etwas Leben in seinem Haus …
Ich hatte mit allem gerechnet, aber nicht damit. Wir befanden uns in einer feinen Gegend, in einer wunderschönen Villa, und der Herr des Hauses, der sich offenbar alles leisten konnte, war froh und dankbar, dass etwas Leben in sein Haus gekommen war – in Gestalt der Steuerfahndung Frankfurt. Ich musste an die strenge, verbissen wirkende Ehefrau dieses Arztes denken. Und an die nüchterne, geradezu leblose Atmosphäre in dieser Villa. Ich war selten bei der Ausübung meines Berufes trauriger als in diesem Moment. Der Mann erweckte mein Mitleid auf eine geradezu groteske Art und Weise.
Doch dann fiel mir auf, dass die beiden Kollegen, die durch das Gartentor kommen sollten, noch nicht eingetroffen waren. Wir hatten die zwei Fahnder schlicht vergessen. Als ich dann oben aus dem Fenster in den parkähnlichen Garten blickte, sah ich die beiden wie angewurzelt vor einem Dobermann stehen. Seit einer Stunde schon. Der Zahnarzt meinte, dass sein Hund völlig harmlos sei und sich offenkundig über dieses Übermaß an Aufmerksamkeit freue. Der Hund und meine beiden Mitarbeiter wurden freundlich hereingebeten. Von dem Gold indes fand sich noch immer keine Spur.
Gegen 23 Uhr verließen wir dieses traurige Haus schließlich ohne den geringsten Anhaltspunkt, wo das Gold des Zahnarztes versteckt war. Uns blieb also nur noch eine Hoffnung: der Umschlag vom Zollamt, der im Beisein des Arztes und seines Rechtsanwalts demnächst geöffnet werden sollte.
Als wir uns wenige Tage später in unserer Dienststelle zu dem offiziellen Brieföffnungstermin trafen, versagte mir zum ersten Mal in meiner Karriere die Stimme. In dem versiegelten Umschlag lag ein leeres Blatt Papier – mehr nicht. Alles, was wir also gegen den Mann in der Hand hatten, war eine kleine Notiz vom deutschen Zoll, in der lediglich der Name der Bank und der dortige Kontostand vermerkt war. Warum der versiegelte Umschlag ohne Inhalt bei uns ankam, ist mir bis heute ein Rätsel. Ob versehentlich ein falsches Blatt Papier in das Kuvert gesteckt wurde oder unser Zahnarzt an dem Kopiergerät etwas gemauschelt hatte – wir wissen es nicht. Da das viel geliebte Katz- und Mausspiel nun zu unseren Ungunsten auszugehen schien, blieb uns nur noch das allerletzte Mittel: der Bluff.
Ich erklärte dem Zahnarzt, dass wir sämtliche Bankdaten bereits hätten, außerdem Zugriff auf das Konto erhalten würden und er nun auf schnellstem Wege sämtliche Unterlagen herbeischaffen müsse – andernfalls würden wir ihn einfach schätzen und das täte in aller Regel weh. Nur wenige Tage später stand der Anwalt des Zahnarztes mit einem Ordner in unserem Büro und hisste die weiße Fahne. Eine innere Stimme sagte mir jedoch, dass diese Sache bis dahin trotz aller Widrigkeiten am Ende doch zu glattgelaufen war, und ich bluffte ein weiteres Mal: Ich verlangte die Unterlagen über das zweite Schweizer Konto – ein weiteres Konto, von dem ich nicht im Geringsten wusste, ob es überhaupt existierte.
Und auch dieser Ordner wurde uns einige Tage später übergeben. Der Anwalt unseres Zahnarztes war ein zweites Mal persönlich in die Schweiz gefahren, um
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