Inside Steuerfahndung: Ein Steuerfahnder verrät erstmals die Methoden und Geheimnisse der Behörde (German Edition)
fast immer Schließfächer besitzen – den Namen der Bank konnten wir leicht seiner Steuerakte entnehmen. Unser Verdacht fiel grundsätzlich auf Gold, weil das Vermögen auf dem Schweizer Konto – so, wie es uns der Zoll mitgeteilt hatte – deutlich höher war, als es die Gewinne aus der Praxis und die Einkünfte aus den Mietwohnungen erlaubt hätten.
Hierbei sei erwähnt, dass versierte Steuersünder ihre bekannten inländischen Konten meistens auf die offiziell versteuerten Einkünfte abstimmen. Das heißt: Wenn nicht die Anzeige einer betrogenen Ehefrau, eines neidischen Nachbarn oder wie in diesem Fall der Hinweis eines aufmerksamen Zollbeamten vorliegen, entstehen vorderhand keine Verdachtsmomente. Die an der Steuer vorbeigeleiteten Gelder landen in der Regel auf ausländischen Konten, von denen der Fiskus unter normalen Umständen nichts erfährt.
Die Durchsuchung der Arztpraxis ergab gar nichts. Der Zahnarzt zeigte sich zwar kooperativ und gab freundlich wertlose Auskünfte, überließ uns aber nach einiger Zeit kampflos das Feld und fuhr mit seinem Wagen davon. Das durfte der Mann auch, schließlich war er als Beschuldigter in einem Steuerverfahren nur dazu verpflichtet, uns die Tür zu öffnen und Angaben zu seiner Person zu machen. Er war jedoch nicht festgenommen und konnte gehen, wohin er wollte. Da wir zeitgleich sein Bankschließfach versiegelt hatten, mussten wir nicht befürchten, dass er während seiner Abwesenheit etwas verschwinden ließ. Das zumindest dachten wir.
Am späten Nachmittag aber erhielt ich einen Anruf von den Kollegen, die mit der Durchsuchung des Wohnhauses betraut waren – und die hatten eine interessante Entdeckung gemacht: Es existierte offenbar ein weiteres Schließfach bei einer anderen Bank. Als wir kurz vor Schalterschluss in der zweiten Bank angekommen waren, mussten wir zu unserem Leidwesen erfahren, dass der Zahnarzt in der Zwischenzeit das Fach geräumt hatte. Auf der sogenannten Begehungskarte konnten wir ablesen, dass unser Zahnarzt, unmittelbar nachdem er die Praxisräume verlassen hatte, zu seinem Schließfach gegangen war – mit einem größeren Koffer, wie uns ein Bankmitarbeiter, der als Zeuge vernommen wurde, schilderte.
So etwas mag ein Steuerfahnder gar nicht. Am wichtigsten ist immer der erste Zugriff und den hatte uns der Zahnarzt ordentlich vermiest. Es war bereits 17 Uhr und wir beratschlagten, was wir nun machen sollten. Ein Teil der Kollegen, die das Wohnhaus durchsucht hatten, war bereits im Feierabend und wir selbst waren nicht sicher, ob unser Durchsuchungsbeschluss überhaupt noch Gültigkeit hatte, denn es waren bestimmte Uhrzeiten festgelegt, zu denen wir durchsuchen durften. Fest stand, dass man beispielsweise nicht morgens um 5 Uhr bei einem Steuersünder vor der Tür stehen durfte – so schön der Überraschungseffekt auch wäre. Aber wie stand es in unserem Fall? Es war Sommerzeit, noch hell und somit bis 20 Uhr juristisch möglich, bei dem Zahnarzt ein weiteres Mal zu klingeln.
Im Grunde wäre es von dem Mediziner geradezu smart gewesen, das Gold aus dem Schließfach nach unserer Durchsuchung ins Wohnhaus zu bringen, denn unter normalen Umständen wäre dies der sicherste Ort gewesen, die Beute vor uns zu verbergen. In mir regte sich der Jagdinstinkt. Da war sie wieder, meine kriminelle Fantasie. Meinetwegen sollte das Spiel nun endlich eröffnet werden. Da sich die Ehefrau des Arztes nach den Erzählungen meiner Kollegen bereits am Vormittag höchst anstrengend verhalten hatte, beschlossen wir, dass sich während der Durchsuchung je ein Kollege bei dem Mann und ein zweiter stets bei der Frau aufhalten sollte. Zwei Kollegen betraten das Villengrundstück durch die Hintertür im Garten. Man konnte schließlich nie wissen.
Der Zahnarzt schien nicht weiter überrascht, als wir erneut um Einlass baten. Freundlich und zuvorkommend wie schon am Vormittag bat er uns herein und ließ uns gewähren. Seine Frau sei oben im Schlafzimmer, sagte er und wies uns den Weg. Die Tür allerdings war verschlossen, und aus dem Inneren des Raumes konnte man gut vernehmlich das Geräusch eines Aktenvernichters hören. Ein weiterer Tiefschlag. Ganz offensichtlich hatten meine Kollegen bei der Durchsuchung am Vormittag wichtige Unterlagen übersehen.
Nachdem wir die Dame mehrfach und mit Nachdruck baten, die Tür zu öffnen, drehte sich endlich der Schlüssel. Kaum waren wir jedoch im Schlafzimmer, brach die Frau zusammen und stöhnte, sie würde einen
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