Inside Steuerfahndung: Ein Steuerfahnder verrät erstmals die Methoden und Geheimnisse der Behörde (German Edition)
dass auch ein Kollege von der Steuerfahndung einmal einen bundesweiten Großeinsatz vermasselt hat. Der Mann hatte sich bei seinem Durchsuchungsbeschluss schlicht um eine Woche vertan. Geplant war eine landesweit konzertierte Aktion bei einem Großunternehmen. Dieser Kollege marschierte tatsächlich an einem Mittwoch in eine Bank, um verschiedene Schließfächer zu versiegeln. Dummerweise war er jedoch eine Woche zu früh. Das im Visier der Steuerfahndung stehende Unternehmen wurde aufgrund dieser Dummheit natürlich gewarnt und hatte ausreichend Zeit, belastende und verfängliche Unterlagen auf alle Ewigkeit verschwinden zu lassen.
Unser Handwerker verzichtete auf den Durchsuchungszeugen. Streng nach Vorschrift wurde der Mann von uns belehrt und ihm wurde zu verstehen gegeben, dass er außer zu seinen Personalien keine weiteren Angaben machen musste. So gezielt, wie wir in den folgenden Stunden in seinem Betrieb und seinem Wohnhaus nach belastenden Unterlagen gesucht haben, war dem gebrochenen Mann schnell bewusst, dass er kaum noch eine Chance hatte, glimpflich aus diesem Steuerverfahren hinauszukommen.
Wenn ich heute zurückblicke, wird mir die Beklemmung, die Beispiele wie diese bergen, wieder auf erschreckende Art und Weise bewusst. Das waren nicht die Fälle, die uns Steuerfahndern Spaß gemacht haben. Hinter solchen Geschichten standen immer auch menschliche Tragödien. Mit Jäger und Beute hatte das Ganze nur sehr wenig zu tun. In Fällen wie diesen war der Steuerfahnder Beichtvater, stiller Zeuge von schlimmsten Zerwürfnissen und gleichzeitig knallharter Vollstrecker, der sich bemühen musste, alles Private – auch die persönlichen Gefühle – auszublenden. Der Staat holt sich über das Instrument der Steuerfahndung die Informationen, die er braucht, um das durchzusetzen, was er für richtig hält. Persönliche Gefühle, Befindlichkeiten oder Rechtfertigungen haben in einem solchen Umfeld keinen Raum.
Am Ende profitieren der Steuerfahnder und sein Auftraggeber – der Staat – von den menschlichen Schwächen seiner Bürger. Hier die Frau, die sich von ihrem Ehemann nach Jahrzehnten des gemeinsamen Lebens verraten fühlte und aus diesem Grund ihren Mann angeschwärzt hat. Dort der einfache, naive Handwerker, der das Wirken seiner Gattin natürlich unterstützt und auch persönlich davon profitiert hat, und nun im schlimmsten Fall mit einer Gefängnisstrafe rechnen musste.
Denn § 370 der Abgabenordnung (AO) regelt in Deutschland den Tatbestand der Steuerhinterziehung wie folgt:
»(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft,
1. wer den Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht,
2. die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt oder
3. pflichtwidrig die Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern unterlässt und dadurch Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.
(2) Der Versuch ist strafbar.
(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter
1. in großem Ausmaß Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
2. seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger missbraucht,
3. die Mithilfe eines Amtsträgers ausnutzt, der seine Befugnisse oder seine Stellung missbraucht,
4. unter Verwendung nachgemachter oder verfälschter Belege fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt, oder
5. als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Taten nach Absatz 1 verbunden hat, Umsatz- oder Verbrauchssteuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Umsatz- oder Verbrauchssteuervorteile erlangt.
(4) Steuern sind namentlich dann verkürzt, wenn sie nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden; dies gilt auch dann, wenn die Steuer vorläufig oder unter Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt wird oder eine Steueranmeldung einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht. Steuervorteile sind auch Steuervergütungen; nicht gerechtfertigte Steuervorteile sind erlangt, soweit sie zu Unrecht gewährt oder belassen werden. Die Voraussetzungen der Sätze 1 und 2 sind auch dann erfüllt, wenn die Steuer, auf die sich die Tat bezieht, aus anderen Gründen hätte
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