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Inside Steuerfahndung: Ein Steuerfahnder verrät erstmals die Methoden und Geheimnisse der Behörde (German Edition)

Inside Steuerfahndung: Ein Steuerfahnder verrät erstmals die Methoden und Geheimnisse der Behörde (German Edition)

Titel: Inside Steuerfahndung: Ein Steuerfahnder verrät erstmals die Methoden und Geheimnisse der Behörde (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Wehrheim , Michael Gösele
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Unterlagen zu den sogenannten Privatkonten, die wir ebenfalls fanden, enthielten fast nur Geldeingänge. Die aber summierten sich zu beachtlichen Beträgen. Während auf dem einen Konto etwa 1,3 Millionen Mark lagen, belief sich ein zweites auf knapp 500 000 Mark. Eine erste Sichtung der Bankunterlagen vor Ort ergab, dass die Beträge, die einbezahlt worden waren, in einer merkwürdigen Relation zu den Barabhebungen auf dem anderen Konto standen: Grob überschlagen ließ sich berechnen, dass in der Regel rund zehn Prozent der auf dem Geschäftskonto abgehobenen Summen wieder auf die Privatkonten einbezahlt worden waren. Die Sache wurde allmählich rund.
    Bei den Rechnungen stießen wir auf Dutzende von Zahnärzten und Dentallabore aus der ganzen Bundesrepublik, und wir fragten uns, ob wir ein weiteres Mal vor einer ganzen Welle von Untersuchungen in der Zahnmedizin-Branche standen, denn das Strickmuster dieser Hinterziehung wurde uns schon im Laufe der Durchsuchung klar. Auch der Rechtsbeistand der Beschuldigten, der uns mit besorgter Miene bei der Arbeit beobachtete, murmelte irgendwann: »Das ist ein Griff ins Gold.«
    Da die Frau weiterhin beharrlich jede Aussage verweigerte und in Anbetracht der Tatsache, dass es sich bei dieser Sache um sehr hohe Hinterziehungssummen handelte, mussten wir die Frau wegen drohender Fluchtgefahr – sie hatte neben ihrem deutschen auch einen griechischen Pass – vorläufig festnehmen. Ich hatte sie im Laufe des Tages noch mehrfach gebeten, eine Aussage zu machen, da die Beweismittel, die wir sicherstellen konnten, derart erdrückend waren, aber sie ließ sich nicht erweichen. Wir mussten die Frau in Schwarz, eine trauernde Witwe, leider von der Polizei abführen und in ein Untersuchungsgefängnis einliefern lassen.
    Die Ergebnisse der Ermittlungen der folgenden Wochen hatten schon bald ein klares Bild gezeichnet: Das Zahnlabor in Griechenland existierte nicht. Die Masche der Steuerbetrüger in Weiß lief nach folgendem Schema ab: Das fiktive Dentallabor in Athen stellte einem deutschen Zahnarzt eine Rechnung für verschiedene zahntechnische Arbeiten in Höhe von 100 000 Mark. Der Rechnungsbetrag wurde von dem betreffenden Zahnarzt auf das Geschäftskonto des Labors, das die Beschuldigte und ihr verstorbener Ehemann in Deutschland führten, überwiesen und war damit in den Büchern des Zahnmediziners als Betriebsausgabe verzeichnet. Der Umsatz des Dentisten verringerte sich so um 100 000 Mark und dementsprechend auch die steuerliche Belastung.
    Das Geld indes wurde von der Frau wieder bar von dem Konto abgehoben und an den Zahnarzt persönlich zurückgegeben – abzüglich einer »Bearbeitungsgebühr« von etwa zehn Prozent. Der Zahnarzt hatte 100 000 Mark am Fiskus vorbeigeschleust und am Ende 90 000 Mark Schwarzgeld zur freien Verfügung, während das Ehepaar, das die Rechnungen geschrieben hatte, eine Provision in Höhe von 10 000 DM für sich erarbeitet hatte – selbstverständlich auch am Finanzamt vorbei. Das Risiko, entdeckt zu werden, war durch die kleinen Päckchen, die zwischen Griechenland und Deutschland hin und her geschickt worden waren, vergleichsweise gering gehalten worden. Kaum einem Zollbeamten wäre bei der Öffnung einer solchen Lieferung aufgefallen, dass es sich nur um »Dentalschrott« handelte. Auf den ersten Blick sah der Inhalt der Pakete tatsächlich nach zahntechnischem Material aus. In der Ausführung war diese Form des Steuerbetruges gar nicht so schlecht.
    Nach der Auswertung aller Unterlagen standen Dutzenden von Zahnärzten und Laborbetreibern in der ganzen Bundesrepublik Durchsuchungen bevor.
    Weitere Untersuchungen ergaben noch andere, ähnliche Strickmuster im Zusammenhang mit Dentallaboren und Zahnärzten. So wurden in Billiglohnländern wie Portugal, Hongkong oder Singapur tatsächlich zahntechnische Prothetikarbeiten hergestellt – allerdings zu einem Bruchteil dessen, was diese Teile in Deutschland gekostet hätten. Bei den Krankenkassen abgerechnet wurde indes »made in Germany«. Auch hier haben findige Mediziner einen schönen Schnitt gemacht.
    Doch um den Fall der griechischen Zahnarztgattin abzuschließen: Am Ende eines langwierigen Verfahrens kam es zu zahlreichen Schuldsprüchen – mit Geld-, Bewährungs- und Haftstrafen für einige der Beteiligten, und zu stattlichen Nachzahlungen zugunsten der Finanzämter. Wir mussten uns damals tatsächlich eingestehen, dass der Betrug auf einem wirklich hohen, anspruchsvollen Niveau

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