Inside Steuerfahndung: Ein Steuerfahnder verrät erstmals die Methoden und Geheimnisse der Behörde (German Edition)
Erklärung für das merkwürdige Ziehen an meiner Hose, als ich mich im Gerichtssaal erhoben und meine Aussage gemacht hatte. Friedbert L. hatte mich ein letztes Mal austricksen wollen. Mit einem klebrigen, benutzten Kaugummi, den er mir im Gerichtssaal vor meiner Aussage offenbar auf den Stuhl gelegt hatte. Und ich dachte schon damals: Wenn der Typ diese Kaugummigeschichte irgendwann in einer seiner Trick-Publikationen aufschreiben sollte, würde ich ihn mir noch einmal vornehmen. Diesen verrückten, seltsamen Menschen, aus dessen Sicht irgendwie alle in die falsche Richtung fuhren.
Anlageberatung – Die Bombe für Pakistan
Kein Arztgeheimnis
Folgende Szene: In einer Firma saß ein Mitarbeiter beim Betriebsarzt. Die Unterhaltung mit dem 45-jährigen Mann schien dem Betriebsarzt zu entgleiten. Das, was er sich da anhören musste, hatte mit einem normalen Patientengespräch nicht mehr viel gemein. Dabei war es zunächst wieder um die schwere Alkoholsucht des hochintelligenten Physikers gegangen: ein bis zwei Flaschen Schnaps täglich. Der Allgemeinmediziner hatte erneut eine Entziehungskur vorgeschlagen, andernfalls würde sich sein Patient in nicht allzu ferner Zeit wahrhaftig zu Tode trinken.
Auch in jenem Moment war sich der Arzt nicht sicher, inwieweit sein Gegenüber überhaupt noch zurechnungsfähig war. Der Mann hatte sich in Rage geredet. Er sprach von Atombomben, die in Pakistan gebaut werden könnten, und in Indien, vielleicht auch in Südafrika. Und all das nur, weil er geholfen hätte, die Technik und das Know-how in diese Länder zu schmuggeln. Schmiergelder in beträchtlicher Höhe wären geflossen und es gäbe Scheinfirmen, die das ganze abgewickelt hätten. Schwarzgeld, Atomwaffensperrvertrag, Tritium, Steuerhinterziehung, Kriegswaffenkontrollgesetz – dem anständigen Betriebsarzt in einer hessischen Provinzstadt wurde von Minute zu Minute mulmiger. Der Physiker Robert V. (Name geändert) hatte ihm Dinge erzählt, die er gar nicht einzuordnen wusste. Was war dran an dieser absurden Geschichte? Hatte sich V. bereits in die Vorstufe einer Alkoholdemenz gesoffen und fantasierte nur? Oder war es vielleicht so etwas wie eine Beichte?
Der Mediziner wusste nicht, was er tun sollte. Es gab die ärztliche Schweigepflicht – und an diese musste er sich halten. Was aber, wenn die Geschichte, die Robert V. ihm gestanden hatte, stimmte? Was, wenn Pakistan tatsächlich »die Bombe« bauen würde und die Firma, für die auch der Arzt arbeitete, an der ganzen Sache beteiligt wäre? Der Mediziner steckte über Wochen hinweg in einer moralischen Zwickmühle. Aber er traf irgendwann doch eine Entscheidung und wandte sich schließlich an den Behördenleiter des Finanzamtes der Kleinstadt, in der er wohnte. Man kannte sich – und in einer gewissen Weise schien es dem Arzt aus standesrechtlichen Beweggründen noch am ehesten vertretbar, sich an die Finanzbehörde zu wenden. Der Gang zur Polizei schien doch ein zu großer Schritt zu sein.
Die Sache nahm dann ihren Lauf. Das kleine Finanzamt aus der hessischen Provinz machte Meldung bei der Steuerfahndung Frankfurt, von dort ging es an Staatsanwaltschaft und Landeskriminalamt (LKA). Nur kurze Zeit später marschierten Polizei und Steuerfahndung in das hessische Unternehmen AAT (Name geändert) und sicherten in einer groß angelegten Durchsuchung sämtliche Unterlagen, die die Angaben des Arztes würden stützen können.
Der Geschäftsführer des Unternehmens, Dieter P. (Name geändert), war bereits Wochen zuvor entlassen worden, weil man ihm Untreue vorgeworfen hatte, und ein Großteil der 100-köpfigen Belegschaft von AAT hatte nicht die leiseste Ahnung, an welch verhängnisvollen Projekten sie in den Jahren zuvor möglicherweise gearbeitet hatte.
Die »Beichte« des Physikers V. bei dem Betriebsarzt sollte sich im Laufe der Ermittlungen – das LKA Hessen hatte eigens eine Sonderkommission gegründet – leider bewahrheiten: Die Bundesrepublik Deutschland stand, nach allem, was man bis dahin herausgefunden hatte, Ende der 80er-Jahre vor einem der größten Atomskandale ihrer Geschichte. Die Presseberichterstattung überschlug sich in kürzester Zeit: »Atomexporte schrecken Bonn auf«, »Böse Geschäfte im toten Winkel« oder »Ein Sumpf ohne Ende« titelten die wichtigsten Medien des Landes. Und mit einem Sumpf hatte man es in diesem Fall wahrhaftig zu tun.
Wie in einem James-Bond-Film
Es hatte sich herausgestellt, dass der Fall der AAT zwei Dimensionen in
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