Inside Steuerfahndung: Ein Steuerfahnder verrät erstmals die Methoden und Geheimnisse der Behörde (German Edition)
aber voller kruder Rechtsideen – oder vielmehr Unrechtsideen, die er in einem kleinen, selbst geschriebenen und selbst kopierten Magazin unter die Leute brachte. Sogar Bücher hatte der Jurist geschrieben. Werke, die Gesetzeslücken aufdecken sollten und Anleitungen zum Gesetzesbruch gaben. Dieser Mann hatte eine Mission, und die widersprach in wesentlichen Zügen der deutschen Rechtsauffassung. Was ihm eines Tages auch umfangreiche Ermittlungen der Steuerfahndung Frankfurt einbrachte.
In seinen schriftlichen Werken gab der Assessor seinen Lesern bei allen erdenklichen Rechtsthemen Tipps, wie sie legal gegen geltendes Recht verstoßen konnten, ohne – wie er behauptete – dafür belangt zu werden. Ratschläge, die einer Vielzahl seiner Anhänger zum Verhängnis wurden und sogar den einen oder anderen ins Gefängnis brachte.
Auf einer Schreibmaschine verfasste L. in einer möblierten, kleinen Wohnung das »Tricksereien-Magazin« (auch dieser Name wurde geändert). Darin waren Dinge nachzulesen, wie man etwa mit Briefen umzugehen hatte, die per Einschreiben oder gar Zustellungsurkunde eingingen: Man behauptete später einfach, der Umschlag sei leer gewesen. Ein Brief ohne Inhalt – die reine Versendung von Luft – und schon konnte man eine Fristsetzung oder Mahnung »legal« ignorieren. Ein Graubereich, der vermutlich nicht vor jedem deutschen Gericht Bestand hat.
Friedbert L. arbeitete selbstverständlich selbst auch mit
allen erdenklichen Tricks, die ihm in seinem Zimmer beim
Studium deutscher Gesetzestexte in den Sinn gekommen waren. So veröffentlichte er sein Magazin in einer Verlagsgesellschaft mbH i. G., also einer Gesellschaft in Gründung, für die er eine Postfachadresse angegeben hatte. Er selbst hatte auch keinen Wohnsitz angemeldet, sodass er zunächst als Bürger und
Unternehmer gar nicht greifbar war. Sein Magazin verkaufte er im Abonnement für 100 Mark. Alles in allem schien der Mann ein mit allerhand Verschwörungstheorien behafteter
Außenseiter zu sein, der mit seinen absurden Ideen und Publikationen gerade eben so auf äußerst bescheidenem Niveau überleben konnte. Ob seine Abonnenten, die seinen Tricks
gefolgt waren, letztlich reich geworden waren, blieb da-
hingestellt.
Die Abonnement-Akquise hatte Friedbert L. in einigen Fällen mit dem Verkauf von fiktiven Forderungen verknüpft. Diese Magazin-Abonnenten kamen in den Genuss, von Friedbert L. Inkassorechnungen zu erhalten. Dieser Trick funktionierte folgendermaßen: Friedbert L. behauptete beispielsweise, dass ein Ehepaar aus Gelsenkirchen die von ihm entdeckten Gesetzeslücken in einem Buch veröffentlicht und somit das Urheberrecht verletzt hätte. Daraus ergab sich für L. eine Forderung in Höhe von einer Million Mark. Das Ehepaar aus Gelsenkirchen existierte natürlich nicht, das Buch, welches sie mit seinen Ideen verfasst haben sollten, dementsprechend auch nicht. Das ganze Konstrukt war eine Fiktion. Aber genau diese Forderung »verkaufte« Friedbert L. an die Menschen, die bei ihm ein solches Abo abgeschlossen hatten. Der Trick hierbei: Die Abonnenten erhielten von ihm Rechnungen über erhebliche Beträge – plus damals 14 Prozent Mehrwertsteuer –, die sie dem Finanzamt als Vorsteuer präsentierten.
Das funktionierte jedoch nur bei Unternehmern, die der Soll-Besteuerung unterlagen. Kurz zur Unterscheidung von Ist- und Soll-Besteuerung: Kleinunternehmer, wie beispielsweise Journalisten oder auch Steuerberater, unterliegen der Ist-Besteuerung, das heißt, sie stellen ihren Kunden eine Rechnung plus Mehrwertsteuer, und erst wenn das Geld eingegangen ist, muss die Mehrwertsteuer an das Finanzamt abgeführt werden. Die meisten anderen Unternehmer unterliegen der Soll-Besteuerung. In diesem Fall muss die Mehrwertsteuer bereits mit Ausgang der Rechnung an das Finanzamt abgeführt werden, gleichgültig, ob das Geld später kommt oder nicht.
Friedbert L. richtete sein Geschäftsmodell an Unternehmer, die der Soll-Besteuerung unterworfen waren. Die erhielten eine Rechnung über die Inkasso-Forderung des Magazinmachers L. und forderten vom Finanzamt die Mehrwertsteuer als Vorsteuer zurück, die sie – rein theoretisch – laut Rechnung an L. zahlen mussten. Solche Rechnungen wurden aber nie bezahlt.
Plötzlich tauchten also Handwerker auf, die bis dahin vielleicht 6000 Mark Umsatz pro Monat gemacht hatten und reichten beim Finanzamt eine Rechnung von Friedbert L. über eine Höhe von 100 000 Mark zuzüglich 14 Prozent
Weitere Kostenlose Bücher